Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
eingesperrt.«
»Oh?« Vom anderen Ende des Raumes ließ sich Damien Northfields Miene nur schwer deuten. Sie sah bloß, dass er entspannt an seinem Brandy nippte. »Das kommt wohl ungelegen.«
Ungelegen? Vielleicht traf das auf ihn zu, für sie hingegen war es ein Desaster. Schließlich konnte sie es sich unter keinen Umständen leisten, in einem abgesperrten Raum mit einem Mann entdeckt zu werden. Denn wie zum Teufel sollte sie erklären, was sie beide in der Bibliothek des Gastgebers zu suchen hatten? Und warum die Tür abgeschlossen war? Letzteres aufzuklären würde bedeuten, Lady Piedmont zu kompromittieren und ihre Annäherungsversuche öffentlich zu machen. Unmöglich. Überdies blieb immer noch die Frage nach dem Grund für ihrer beider Aufenthalt in der Bibliothek.
»Der Schlüssel ist abgebrochen.«
»Ja, das habe ich deutlich gehört. Vermutlich stehen wir jetzt vor einem Problem. Normalerweise kann ich ein Schloss ohne Weiteres knacken, doch wenn was drinsteckt und den Mechanismus blockiert, wie hier vermutlich der Fall, wird es schwierig.«
Seine ruhige Stimme reizte sie, und am liebsten hätte sie ihm einen der schweren Lederbände, die überall auf den Tischchen herumlagen, an den Kopf geworfen. Stattdessen rang sie das Gefühl von Panik nieder, das sich ihrer bemächtigen wollte, und sie fragte mit bewundernswerter Fassung: »Und wie sollen wir den Raum nun verlassen?«
»Eine wirklich gute Frage. Durch die Fenster, würde ich vorschlagen, obwohl es leider zu regnen angefangen hat.«
Wie bitte?
Als Lily vorstürzte und ihr Gesicht an die Scheiben drückte, sah sie, dass es inzwischen aus den bleischweren Wolken, die schon früher am Abend den Himmel bedeckt hatten, wie aus Gießkannen schüttete.
Ein ungehaltener Protestlaut entschlüpfte ihren Lippen, laut und aus vollem Herzen kommend. Doch nicht nur der Regen stellte ein Problem dar, weil er ihr Kleid und ihre Frisur für alle sichtbar ruinieren würde, sondern da wäre bei einer Flucht aus einem der Fenster auch noch ein dorniges Rosengestrüpp zu überwinden. Nass und mit zerrissenem Kleid würde sie auf den Ball zurückkehren müssen. Und jeder konnte sehen, dass sie alles andere getan hatte, als sich kurz im Ruheraum frisch zu machen.
Sie atmete tief durch und wappnete sich, bevor sie sich umdrehte, die Hände in ihre Seidenröcke gekrallt. »Wir müssen irgendetwas tun.«
»Ich finde es merkwürdig, dass Ihr das so sagt.« Northfield stand noch immer völlig gelassen beim Tisch mit den Getränken und schien kein bisschen nervös. In seinem eleganten dunklen Abendanzug sah er aus wie der perfekte englische Gentleman.
Abgesehen von seinen Augen, die nicht ganz in dieses Bild passten. In ihnen las sie erhöhte Wachsamkeit und zudem einen Hauch von Gefahr. Sie fragte: »Wie sage ich was?«
»Ihr habt im Plural gesprochen, dass wir etwas tun müssten.« Seinen Mund umspielte ein leichtes Lächeln, eigentlich nicht mehr als ein amüsierter Zug. »Die meisten jungen Damen hätten erwartet, dass ich mich um die Lösung unseres kleinen Dilemmas kümmere.«
»Ich bin nicht wie die meisten Frauen.«
»Ja, den Eindruck gewinne ich allmählich ebenfalls.«
Lag da etwa Spott in seiner Stimme? Darüber würde sie später nachdenken. Lily hatte absolut keine Lust, ihm zu erklären, warum es so fatal wäre, wenn jemand sie hier gemeinsam entdeckte. »Lord Damien, ich muss jetzt wirklich zurück zum Ball.«
»Dann lasst mich einen Blick auf die Tür werfen.« Er stellte seinen inzwischen geleerten Cognacschwenker weg und kam zu ihr herüber, verhielt kurz seine Schritte, um ein langes, schmales Messer aus einer Art Scheide an seinem Stiefel zu ziehen. Obwohl sie eigentlich andere Sorgen hatte, fiel ihr die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen auf, als er sich vor die Tür kniete und den dünnen Stahl in das Schloss steckte. Als er nach wenigen Minuten den Kopf schüttelte, verlor sie jede Hoffnung. Wenn er es nicht schaffte, die Tür zu öffnen, dann würde das niemand vermögen. Aus irgendeinem Grund, den sie nicht zu benennen vermochte, vertraute sie ihm bedingungslos.
»Vielleicht lässt der Regen ja nach«, warf sie kleinlaut ein, doch das beständige Rauschen vor den Fenstern verhieß nichts Gutes. Die Duchess würde sich ihren Kopf auf einem Teller servieren lassen.
»Ich bin nicht sicher, ob ich mich dieser optimistischen Sichtweise anschließen kann.« Seine Stimme klang ironisch. »Ich öffne Euch gerne das Fenster, damit Ihr
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