Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
andere als glorreich.«
Sie wandte sich ihm zu und sah ihn direkt an. »Ihr habt meine Frage beantwortet, und ich sollte mich dafür revanchieren, indem ich Euch gestehe, warum ich in die Bibliothek gegangen bin. Aus demselben Grund, den Ihr Lady Piedmont genannt habt. Ich wollte ein bisschen für mich sein.«
Damien betrachtete nachdenklich sein Glas. »Warum? Ich gebe zu, ich war zu lange außen vor, aber ich dachte eigentlich, die meisten jungen Ladys lieben es, zu tanzen und zu flirten und sich zu amüsieren.«
»So jung bin ich nicht mehr.«
Da war es wieder, dieses trotzig vorgestreckte Kinn. Warum bloß fand er ausgerechnet das so bezaubernd? Er ließ sich Zeit, um sie genauer zu betrachten. Nein, eine Debütantin, gerade dem Schulzimmer entwachsen, war sie nicht mehr, aber eine alte Jungfer erst recht nicht. Er schätzte sie auf höchstens zweiundzwanzig, und ihre Figur bot, wenngleich eher zierlich, durchaus weibliche Reize. Dazu die glänzenden Haare, die feinen Gesichtszüge und, nicht zu vergessen, ihre wunderschönen Augen … Es gefiel ihm, was er sah, wie sie da in den Polstern des Sofas lag, ein Idealbild weiblicher Eleganz.
»Warum seid Ihr noch nicht verheiratet?«
Sie lächelte ein wenig süffisant. »Fragt Ihr immer so direkt, Lord Damien?«
Eine interessante Antwort. »Eigentlich bin ich nie so direkt. Meine Spezialität sind eher Umwege und verschlungene Pfade – und meist verberge ich die Dinge, anstatt sie offenzulegen.«
»Ich habe gehört, Ihr hättet als Spion für Wellington gearbeitet.«
Er nahm noch einen Schluck, überlegte, ob er ehrlich antworten sollte. Eigentlich war es jetzt, nach Ende des Krieges, egal. »Was hat es schon zu bedeuten, was ich im Dienst für unser Vaterland getan habe?«
Ihre Antwort klang etwas aufmüpfig: »Entschuldigung, ich konnte nicht ahnen, dass meine Bemerkung an Tabus rührt und Euch irritiert.« Sie schaute ihn prüfend an. »Darf ich es anders formulieren?«
»Bitte sehr.«
»Da es offensichtlich zu Euren speziellen Talenten gehört, drohende Katastrophen im Vorfeld zu erkennen und zu verhindern, wüsste ich gerne, wie wir Eurer Meinung nach aus dieser Zwickmühle herauskommen können?«
Er fand ihre direkte Art erfrischend. »Ich sehe da verschiedene Lösungsansätze.«
»Ach, tatsächlich? Soweit ich das beurteilen kann, regnet es immer noch in Strömen. Dabei sollte ich längst zurück auf dem Ball sein. Ich darf gar nicht daran denken, was passiert, wenn die Herzoginwitwe mein zu langes Fortbleiben bemerkt.«
Langsam dämmerte ihm, wo ihr spezielles Problem lag. »Die Herzoginwitwe?«
»Ja, die Duchess of Eddington.«
Als Sohn eines Duke und damit einer Familie aus dem Hochadel entstammend, kannte er sich aus mit den wichtigsten Peers des Königreichs. »Dann verstehe ich das richtig, dass die Dame Sie protegiert?«
»Mein Bruder hat ihre Enkelin geheiratet. Wenn es mehrere Lösungen für unser Problem gibt, möglichst rasch diesen Raum zu verlassen, zählt sie bitte auf.«
Lady Lillian schien sich nicht allzu vielen Illusionen über ihre Lage hinzugeben, dachte er. Sie wollte eine brauchbare Lösung, und zwar sofort.
Damien räusperte sich diskret. »Ihr könntet aus dem Fenster klettern und klatschnass im Ballsaal wieder auftauchen.«
»Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen, vielen Dank. Aber das möchte ich nur in Betracht ziehen, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Habt Ihr nichts Besseres auf Lager?«
»Ich könnte aus dem Fenster steigen und meine Abendkleidung ruinieren, um anschließend dafür zu sorgen, dass die Tür von außen geöffnet wird. Allerdings bleibt das Problem, dass Ihr hier eingesperrt seid, ohne eine plausible Erklärung dafür bieten zu können. Außerdem kann ich nicht gut zugeben, davon gewusst zu haben.«
»Nein, auch das wäre zu offensichtlich.«
»Dritte Möglichkeit: Wir benutzen den Geheimgang.«
Endlich gelang es ihm, ihr einen gewissen Respekt abzunötigen. Die hübsche Lillian richtete sich auf. »Was? Wo denn?«
»Dort, beim Kamin.« Er deutete in die Richtung. »Bei Häusern wie diesem gibt es oft Geheimgänge, die in der Bibliothek beginnen. Einfach weil hier wichtige Dokumente aufbewahrt werden, die bei Gefahr in Sicherheit gebracht werden müssen. Wenn Ihr die Holzvertäfelung ganz genau anschaut, werdet Ihr die Geheimtür entdecken. Aber auch nur, wenn man weiß, dass es eine gibt. Auf den ersten Blick sind sie nicht zu erkennen. Ich fürchte, es gab Zeiten in der Geschichte
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