Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
blasphemisch klingen mag, Viv – nicht jeder kennt sich mit Pflanzen aus.« Lily warf ihrer Freundin einen belustigten Seitenblick zu. »Die meisten Aristokraten beschäftigen zu diesem Zweck Gärtner. Allerdings weiß ich zumindest, wie eine Petunie aussieht. Falls dich das beeindruckt.«
» Du verfügst schließlich auch über einen intakten Verstand.« Vivian runzelte die Stirn und seufzte. »Mir wirft man hingegen vor, ich sei zu heikel. Vor allem meine Mutter missbilligt mein Verhalten. Mein Vater natürlich nicht, aber der ist schließlich selbst Botaniker.«
Wäre Lily nicht oft genug das Ziel familiärer Kritik gewesen, hätte sie ihre Freundin vielleicht weniger gut verstanden. »Nun, ich war ebenfalls nie allzu gut darin, es anderen recht zu machen«, murmelte sie. »Es liegt nicht in meiner Absicht, alle zu enttäuschen. Aber genauso wenig will ich mein Leben so führen, wie die Gesellschaft es gerne hätte.«
»Ich weiß nicht einmal, wie ich sie überhaupt dazu bringe , mit mir einverstanden zu sein.« Vivian sprach jetzt leiser. »Ich habe Verehrer, doch darunter ist keiner, den ich mag. Gut, die Leute finden mich merkwürdig – nur liebe ich meine Arbeit wirklich sehr. Ich hatte schon immer ein Interesse an allem in der Natur und vermochte nie zu verstehen, was daran undamenhaft sein soll. Jede alberne Debütantin zeigt überall ihre Stickereien herum, lauter Röschen und Gänseblümchen und Tulpenkelche. Ich kann keinen geraden Stich machen, aber ich kenne mich mit den wirklichen Pflanzen aus. Warum ist das so empörend?«
Ein Blatt wurde vom Wind aufgewirbelt und tanzte über den Weg. Lily wehrte es mit der Hand ab, ehe es sich in ihren Haaren verfing. Sie unterdrückte ein Lachen. »Ich fürchte, das liegt am Dreck, der nun einmal zum Gärtnern gehört.«
»Feuchte Erde riecht herrlich. Sie erinnert mich immer an den Frühling«, verteidigte Vivian sich. Sie sah in dem gelben Tageskleid heute wirklich hübsch aus. Die Farbe passte zu ihren dunklen Haaren, obschon der Knoten etwas achtlos aufgesteckt war. Rabenschwarze Strähnen hatten sich daraus gelöst und umrahmten das Oval ihres Gesichts. Verstimmt zog sie die schmalen Brauen zusammen.
»Ich will mich nicht streiten, keine Sorge.« Lily dachte an den Familiensitz daheim in Berkshire, der umgeben war von grünen Feldern und kleinen Bächen, die sich durchs Tal schlängelten. »Ich liebe den Frühling, und, ja, er riecht nach feuchter Erde und Pflanzen.«
Vivian lächelte zufrieden. »Wenn alles sich wieder regt und zu neuem Leben erwacht, das ist ein wunderbares Gefühl. Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich nicht lieber irgendwo in den Tropen leben würde. An einem der exotischen Orte, über die ich so viel gelesen habe. Wo es immer warm und schwül ist und die Artenvielfalt atemberaubend sein muss. Aber ich fürchte, ich würde das gute alte England zu sehr vermissen.«
»Denk an die stechenden Insekten und an die Schlangen und anderes ekliges Getier, das im Dschungelklima kreucht und fleucht«, fügte Lily hinzu. »Und dann diese mörderische Hitze! Hier ist es in langen Röcken und Unterwäsche ja schon schlimm, dort allerdings stelle ich es mir schier unerträglich vor.«
»Ich könnte mich wie die Eingeborenen kleiden, oder?« Vivian lachte. Ihre grünen Augen funkelten. »Ich habe gehört, die meisten Frauen stolzieren barbusig herum. Kannst du dir das vorstellen?«
»Irgendwie nicht.« Lily hatte davon ebenfalls gelesen. Wenn sie nur daran dachte, dass es ihr bereits verboten war, bloß einen Zentimeter ihres Fußknöchels nackt zu zeigen, erschien ihr die Vorstellung völlig abwegig – und faszinierend zugleich. »Das klingt schon sehr extrem. Und wäre bestimmt nicht gut für die Haut.«
»Für meine schon gar nicht, fürchte ich. Wie meine blassen keltischen Vorfahren sollte ich Sonnenbäder vermutlich lieber meiden.«
»Das kommt erschwerend hinzu.«
Vivian lachte. »Also keine Übersiedlung in die Tropen. Und wie war dein kleiner Spaziergang neulich abends mit Lord Damien Northfield?«
Der abrupte Themenwechsel kam etwas unerwartet, doch Lily nahm ihn als Hinweis, dass ihre kurze Abwesenheit auf dem Ball nicht unbemerkt geblieben war. »Er kann nicht tanzen, weshalb mir sein Vorschlag, ein bisschen frische Luft zu schnappen, sehr gelegen kam.«
»Das ist eine vernünftige Alternative, nehme ich an. Und du bist kein kicherndes Mädchen mehr, das ständig einen Anstandswauwau braucht.«
»Herzlichen Dank.« Die
Weitere Kostenlose Bücher