Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
Antwort klang ironisch.
Die Freundin warf Lily einen tadelnden Blick zu. »Du weißt, dass ich das nicht anzüglich meine. Bei mir ist es doch genauso. Irgendwie bringt das Ladenhüterdasein auch gewisse Freiheiten mit sich.«
»Kann schon sein.« Eine Schar Enten flog vor ihnen auf. Ihre Flügel bewegten sich fast synchron. Wie Balletttänzer, dachte Lily. »Die Saison ist bald vorbei.«
»Stimmt. Machen wir uns nichts vor …« Vivian seufzte dramatisch. Ihre Wangen hatten in der frischen Luft eine rosige Färbung angenommen. Schwarze Locken berührten den hohen Kragen ihres Kleides. »Ich werde weiterhin so unverheiratet sein wie bisher. Hoffe ich zumindest. Lord Gregory zumindest ist keine Option, die ich in Erwägung ziehe.«
»Und bei mir ist es Sir George, der wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf schwebt«, fügte Lily hinzu. »Trotz seines fortgeschrittenen Alters sollte ich dankbar sein, dass er bereit ist, über meinen ramponierten Ruf hinwegzusehen.«
»So ein Unsinn. Du bist eine Schönheit, Lily.«
»Das bist du auch.«
Vivian verzog das Gesicht, während sie geruhsam weiterschlenderten. »Ich habe ein paar allzu männliche Angewohnheiten, die mich nicht so begehrenswert machen. Das haben wir gerade erst wieder festgestellt.«
»An deinem Hobby ist nichts Schlimmes.«
»Der Großteil der Gesellschaftist da nicht unbedingt deiner Meinung.«
Es war schwer, Gegenargumente zu finden. Sie steckten beide in einer ähnlichen Klemme. »Trotzdem«, sagte Vivian, während ihre Röcke über das Gras raschelten. »Ich bin froh, dass ich gewartet habe. Vielleicht rede ich mir das nur ein, aber ich bin kein hohlköpfiges, dummes Mädchen, das sich einen Mann wünscht, der sich um sie kümmert – das ist eine absurde Form von Romantik. Ich möchte einen Mann kennenlernen, der mich fasziniert. Der mich intellektuell herausfordert, dessen Interessen sich mit meinen decken. Der mich einfach mag. Ist das töricht?«
Es fiel Lily schwer, nicht an Damien Northfield zu denken. An sein geheimnisvolles Lächeln, die dunklen Augen und diese rätselhafte Aura, die ihn umgab – nicht zu vergessen seine interessante Vergangenheit. Was konnte faszinierender sein als ein ehemaliger Spion?
»Nein«, sagte Lily abwesend. Der Wind streichelte ihr Gesicht. »Das ist ganz und gar nicht töricht.«
Er hatte das noch niemals getan, und es war irgendwie entmutigend.
Schon merkwürdig. Er war steile Felsen in völliger Dunkelheit hinaufgeklettert, hatte Festungswälle vermessen, Gefangene befragt, die feindlichen Linien unterlaufen und Verräter verfolgt. Aber er war noch nie formell bei einer jungen Dame vorstellig geworden.
Eine Tatsache, die ihn nachdenklich stimmte. Damien stieg aus der Kutsche und humpelte die Stufen hinauf. Nach der langen Zeit im Dienste Seiner Majestät war er völlig ungeübt, was gesellschaftliche Konventionen betraf. Wer wann wem einen Besuch abstattete und was daraus folgte. Allein der Gedanke, wartend in der Halle herumzustehen, bis man ihn in den Salon führte, wo er dann gewandt über harmlose Themen plaudern musste, widerstrebte ihm.
Bevor er den versprochenen Besuch bei Lillian Bourne absolvierte, brauchte er jedoch noch ein paar Auskünfte. Das allerdings war sein ureigenstes Terrain und damit kein Problem. Und deshalb war er jetzt hier.
»Ist Lord Sebring zu Hause?«, fragte Damien den sauertöpfischen Diener, der ihm die Tür öffnete. »Damien Northfield fragt nach ihm.«
Sein alter Freund war tatsächlich daheim, wie er zu seiner Erleichterung feststellte, und erhob sich von seinem Schreibtisch, als man ihn zu ihm führte. Auf seinem Gesicht lag das vertraute leutselige Lächeln.
»Northfield. Was für eine angenehme Überraschung. Wie viele Jahre ist das jetzt her?«
»Zu viele«, antwortete Damien. Obwohl es sich genau genommen nicht um einen Freundschaftsbesuch handelte, konnte er nicht gut mit der Tür ins Haus fallen.
Arthur deutete auf einen Sessel. »Schön, dich zu sehen. Darf ich dir ein Glas Claret anbieten?«
»Vielen Dank, gerne«, sagte er.
Sein Gastgeber schenkte ihm ein Glas ein, und Damien schaute sich in dem Raum um. Die Einrichtung war einladend: große Bücherschränke, mehrere Ölgemälde von Jagdhunden und Pferden und ein überfüllter Schreibtisch, der auf einen vielbeschäftigten Hausherrn hinwies.
Und warum hatte er sich nicht um Lily gekümmert?
Damien nahm das angebotene Glas, sank in einen Sessel und beobachtete seinen Freund. Arthur,
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