Eine skandaloese Liebesfalle
schmiedeeiserne Tor zum Besitz. Es war Jahre her, seit sie das letzte Mal weiter als bis zu diesem gegangen war. Und es war mindestens doppelt so lange her, seit ihre Tante das Haus verlassen hatte.
Ihre Lungen kämpften mit der plötzlich dünnen Luft. Ihr Magen rebellierte, wollte das Mittagessen von sich geben. Sie umklammerte den Rand des Fensterrahmens. Ihr war schwindelig und schlecht, während hinter ihr Lady Kingsley immer weiter von der Liebenswürdigkeit und Höflichkeit ihrer Gäste schwärmte und davon redete, was für eine wunderbare Zeit sie alle miteinander verleben würden. Ja, Elissande müsse sich noch nicht einmal wegen der Versorgung der Gäste Gedanken machen - die Küche von Woodley Manor lag außerhalb des Haupthauses und war von der Rattenplage verschont geblieben.
Langsam drehte Elissande sich um. Und dann lächelte sie. Es war jenes Lächeln, das sie ihrem Onkel geschenkt hatte, als er verkündete, nein, er wolle doch nicht nach Südafrika reisen. Dabei hatte sie schließlich doch zu hoffen gewagt, dass er es wirklich tun würde. Nach monatelangen Reisevorbereitungen, die sie mit eigenen Augen verfolgt hatte, schienen Zweifel nicht mehr angebracht zu sein.
Lady Kingsley verstummte angesichts dieses Lächelns.
„Wir sind Ihnen liebend gerne behilflich“, erklärte Elissande.
3. Kapitel
Tante Rachel zeigte keine Reaktion auf die Neuigkeiten. Sie dämmerte weiter vor sich hin. Elissande strich ihr die schlaffen Strähnen ergrauenden Haares hinter die zerbrechlich wirkenden Ohren. „Alles wird gut, das verspreche ich.“
Sie legte zusätzlich eine weiche Wolldecke über sie -Tante Rachel, dünn wie Haferschleim im Armenhaus, war immer kalt. „Wir müssen es tun, weißt du. Es ist eine Gelegenheit, die sich uns nicht noch einmal bieten wird.“
Noch während sie sprach, wunderte sie sich über den günstigen Zeitpunkt von Lady Kingsleys Rattenplage. Es war beinahe so, als hätten die Ratten die Stunde gekannt, zu der ihr Onkel aufgebrochen war.
„Und ich habe keine Angst vor ihm.“
Es kam nicht auf die Wahrheit an. Es kam allein darauf an, dass sie selbst an das glaubte, was sie sagte.
Sie kniete sich neben das Bett und nahm Tante Rachels zartes Gesicht mit den feinen Zügen zwischen ihre Hände. „Ich werde dich hier herausholen, meine Liebste. Ich werde uns beide hier herausholen. “
Die Chance auf Erfolg war vielleicht verschwindend gering, aber sie lag nicht bei null. Für den Moment würde das reichen müssen.
Sie hauchte einen Kuss auf Tante Rachels eingesunkene Wange. „Wünsche mir Glück. Ich werde heiraten.“
„Wir müssen heiraten“, teilte Vere seinem Bruder mit. Lady Kingsley besaß zwei Kutschen, aber nur ein
Pferdegespann. Daher waren die Damen zuerst nach Highgate Court aufgebrochen und hatten die Herren zurückgelassen, die nun auf ihre Fahrt warten mussten. „Wir sind doch noch jung“, sagte Freddie.
Die Herren Conrad und Wessex spielten 17 und 4 ; Kingsley saß auf seinem Gepäck und las eine Ausgabe von The Illustrated London News; Vere und Freddie gingen entlang der Auffahrt spazieren.
„Ich bin fast dreißig - und bislang hatte ich praktisch keinen Erfolg. “
Das war leicht zu bewerkstelligen gewesen, wenn man ausschließlich den gesuchtesten und umschwärmtesten Debütantinnen der Saison einen Heiratsantrag machte, besonders, wenn diese Anträge gewissermaßen von einem großzügigen Verschütten von Punsch über deren Kleider begleitet wurden. Vere lag viel daran, dass man ihn als Mann wahrnahm, der gern sesshaft werden und eine Familie gründen würde: Bemühungen dieser Art verliehen seiner Darstellung eine größere Glaubwürdigkeit - der arme Idiot, der zu dumm war zu begreifen, dass er seine Ansprüche herunterschrauben musste.
„Lass einem Mädchen mehr Zeit, ehe du um ihre Hand anhältst“, riet ihm Freddie. „Ich kann nicht erkennen, wie eine Frau dich nicht lieben kann, wenn sie nur länger in deiner Gesellschaft verweilen würde. “
Dreizehn Jahre war der Unfall her, aber Freddie sprach immer noch zu Vere, als habe sich nichts geändert. Noch immer war er der große Bruder, der Freddie vor ihrem Vater in Schutz genommen hatte. Doch dann hatte er die Rolle des Idioten angenommen. Vere hatte damit gerechnet, die vertrauten Gewissensbisse zu spüren. Doch nicht damit: Er hatte den Kopf abwenden müssen, um die Tränen zu verbergen, die ihm plötzlich in den Augen standen. Nach dem Douglasfall sollte er sich eine längere
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