Eine skandaloese Liebesfalle
bitten, ihr mehr über Kunst zu erzählen und vielleicht auch etwas über London. Sie würde ihm aufmerksam zuhören, nicken und gelegentlich sehr damenhaft von ihrem Tee nippen. Und dann - ja, was dann? Sie mochte Lord Frederick. Sehr gerne sogar. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn am besten umgarnen konnte, es sei denn ...
Es war zwecklos, es zu leugnen. Bei Lord Vere hatte sie sich keine Gedanken machen müssen, hätte sie weiter um ihn geworben. Das Einzige, was bei ihm zählte, war, dass sich der Abstand zwischen ihnen verringerte - sie hatte sich mit jeder Faser ihres Wesens danach gesehnt, ihm näher zu sein.
Bis jede Faser ihres Wesens sich von ihm abgestoßen fühlte.
Dennoch, bei seiner ach so ritterlichen Ankündigung, er wolle sie küssen ...
Nein, sie hatte bei seinen ungelenken Flirtversuchen nichts empfunden, nichts außer Empörung und Widerwillen.
Lord Frederick erschien an der Tür. Ausgezeichnet, ihr Plan ging auf. Sie lächelte ihn an. Aber im nächsten Augenblick erstarrten ihre Züge. Lord Vere folgte ihm in den Frühstückssalon - Lord Vere, der Unmengen von Matsch an den Stiefeln kleben hatte und dem Strohhalme im Haar steckten.
„Hallo, Miss Edgerton“, trällerte Lord Vere. „Ich war draußen, bin spazieren gegangen. Kam zurück und habe Freddie getroffen, als er gerade die Treppe hinunterkam. Und hier sind wir - wir haben einen gesunden Appetit mitgebracht und unsere anregende Gesellschaft.“
Eigentlich sollte sie Mitleid mit ihm haben. Er konnte schließlich nichts dafür, dass er ein Idiot war. Aber das Einzige, was sie empfand, war heftige Verärgerung. Seine Anwesenheit verdarb ihre sorgfältig ersonnenen Pläne.
„Wie süß von Ihnen“, zwang sie sich zu antworten. „Und ich hatte mich schon damit abgefunden, allein zu frühstücken. Bitte bedienen Sie sich und setzen Sie sich zu mir.“
Wie war das Frühstück noch zu retten? Sie würde Lord Frederick mit Fragen zur bildenden Kunst - besonders aber zu seiner Kunst - bombardieren müssen, sobald er Platz genommen hatte.
Aber Lord Vere vereitelte auch dieses Vorhaben, indem er einfach weitersprach, während er am Sideboard stand und sich seinen Teller mit Spiegeleiern, Brathering und Buttermuffins füllte. Das Thema seines Vortrags heute war Viehzucht. Offenbar war er auf einer Landwirtschaftsmesse gewesen und betrachtete sich nun als Fachmann.
Er legte ausführlich sein Wissen über das Shropshireschaf dar, zählte die Vor- und Nachteile auf und verglich es dann mit dem Southdown-, dem Oxforddown- und dem Hampshireschaf, deren Hammel seiner Ansicht nach eine fast römisch anmutende Schnauze hatten.
Obwohl sie auf dem Land aufgewachsen war, wusste Elissande nichts über Schafe. Aber sie konnte sich dennoch gut vorstellen, welch grausame Fehler ihm bei seiner Abhandlung unterliefen. Am liebsten würde sie ihn an den Schultern packen und schütteln. Sie verlangte immer noch von ihm zu erfahren, wie nur um Himmels willen Die Befreiung Petri von Raffael im Speisezimmer hängen konnte, wenn es doch ein Wandfresko im Vatikanpalast in Rom war - sogar ein Teil der päpstlichen Wohnung selbst.
Irgendwann verlagerte Lord Vere seinen Fokus: Statt über Schafe referierte er über Rinder. Er hatte nicht nur landwirtschaftliche Messen besucht, ließ er Elissande wissen, sondern auch Einstufungslisten für Rinder inspiziert. „Meine Güte, diese herrlichen Tiere werden einer gnadenlosen Bewertung unterzogen - Kopf, Körper, Vorderteil, Hinterteil. Aber wissen Sie eigentlich, was der wichtigste Aspekt bei der Einschätzung einer Milchkuh ist?“
„Nein, und ich bin auch sicher, diesen nicht zu kennen, Mylord“, antwortete sie und bohrte ihr Messer in das Muffin auf ihrem Teller.
„Die Euterentwicklung, Miss Edgerton, die macht erschütternde fünfunddreißig Prozent der Gesamtbewertung aus. Das Euter muss möglichst groß und weich sein. Die Zitzen müssen eine bestimmte Größe haben und gleichmäßig verteilt sein. Die Adern müssen ausgeprägt und die Milchgänge ergiebig sein. “
Er schaute ihr nicht länger ins Gesicht, sondern auf ihre Brust. „Ich glaube, seitdem nehme ich Milchkühe mit anderen Augen wahr. Wenn ich jetzt eine solche erblicke,
denke ich nicht einfach, oh, eine Kuh, sondern betrachte ihr Euter und die Zitzen in Hinblick auf die Anforderungen für die Viehzucht - und um der unbestreitbaren Freude des Betrachtens von Eutern und Zitzen willen! Natürlich!“
Elissande traute ihren Ohren nicht.
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