Eine skandaloese Liebesfalle
auf.
„Erwarten Sie jemanden?“ Lord Vere folgte ihr ans Fenster.
Sie sagte nichts, war aber stumm vor Erleichterung. Es war nicht ihr Onkel. Diese Kutsche kannte sie nicht. Sie kannte allerdings auch nicht die Dame mittleren Alters mit den scharfen Zügen, die dem Gefährt in einem blauen Reisekleid entstieg.
„Ist das nicht Lady Avery, Freddie?“, erkundigte sich Lord Vere.
Lord Frederick trat rasch zu ihnen ans Fenster. Lord Vere überließ ihm seinen Platz.
„Was tut die denn hier?“, brummte Lord Frederick. Er fluchte lautlos, dann fiel ihm wieder ein, wo er sich befand. Er drehte sich zu Elissande um. „Ich bitte um Verzeihung, Miss Edgerton. Ich wollte nicht unhöflich über Ihre Besucherin sprechen.“
Ach, er war so ein perfekter Gentleman. „Sie dürfen so unhöflich von ihr sprechen, wie es Ihnen beliebt, Sir. Ich versichere Ihnen, ich habe diese Dame nie zuvor gesehen.“
„Oh, schauen Sie nur. Sie hat Gepäck mitgebracht“, stellte Lord Vere ungerührt fest. „Denken Sie, sie ist gekommen, um zu bleiben?“
Lord Frederick schlug mit der flachen Hand auf die Fensterbank und entschuldigte sich sofort wieder bei Elissande.
„Es ist völlig in Ordnung“, sagte Elissande. „Aber wer ist das?“
6. Kapitel
Lady Avery war eine Klatschbase.
Elissande waren Klatschbasen nicht völlig fremd: Mrs Webster aus dem Dorf war eine, sie hatte sich, als es noch möglich war, das Haus des Onkels zu verlassen, fortwährend über die Frau des Metzgers oder den neuen Gärtner das Maul zerrissen. Aber Lady Avery betrachtete sich sicher als weit über solch provinziellen Tratschtanten wie Mrs Webster stehend. Sie war eine Frau von Welt, mit Zutritt zu den höchsten Gesellschaftskreisen.
Mit ihrer Ankunft verschwand Lord Frederick umgehend. Zu Elissandes wachsender Verzweiflung.
Um genau zu sein, ihre Verzweiflung hatte bereits vor Lady Averys unangekündigter Ankunft begonnen: Lord Frederick hatte es nicht eilig, um ihre Hand anzuhalten, während die Zeit, die ihr noch verblieb, ohnehin schon so beschränkt wie Lord Veres Verstand, Sekunde um Sekunde weiter schrumpfte.
Lady Avery war keine Hilfe, da sie sich sofort daran machte, Elissande über die Herkunft der Douglas’ auszufragen, und sich gleichzeitig zu glauben weigerte, dass sie tatsächlich nichts über die Abstammung ihres Onkels und nur wenig mehr über die ihrer Tante wusste.
„Die West Cheshire Douglas vielleicht?“, schlug Lady Avery vor. „Sicherlich müssen Sie doch mit den Douglas aus West Cheshire verwandt sein. “
War Lady Avery eine Schülerin von Lord Vere? Führte sie seine besondere Art genealogischer Forschungen etwa fort?
„Nein, Madam. Ich habe nie von ihnen gehört.“
Lady Avery machte ein abfälliges Geräusch. „Das ist in höchstem Maße seltsam. Wer ist Ihre Familie dann? Die Edgertons aus Derbyshire?“
Das wenigstens wusste sie. „Die Edgertons aus Cumberland, Madam.“
Eine steile Falte erschien auf Lady Averys Stirn. „Die Edgertons aus Cumberland. Die Edgertons aus Cumberland“, murmelte sie. Dann, nach einer Weile, rief sie triumphierend aus: „Sie sind die Enkeltochter des verstorbenen Sir Cecil Edgerton, nicht wahr? Die Tochter seines jüngsten Sohns?“
Elissande starrte sie erschreckt an. Sie hatte geglaubt, dass Lady Averys Kenntnisse als Klatschbase ebenso verlässlich waren wie die von Lord Vere auf dem Gebiet der Viehzucht. „Sir Cecil war mein Großvater, ja.“
„Ah, das dachte ich mir“, erklärte Lady Avery zufrieden. „Es war ein ganz schöner Skandal, als Ihr Vater mit Ihrer Mutter durchbrannte. Und so ein unglückliches Ende, beide tot innerhalb von drei Jahren.“
Lady Kingsley, Miss Kingsley und Miss Beauchamp betraten den Empfangssalon. Mit einem Mal war Elissande ebenso beunruhigt wie zuvor Lord Frederick bei dem Anblick von Lady Avery. Die Liebesgeschichte ihrer Eltern war nicht nur tragisch, sondern auch nicht geeignet für höfliche Konversation, wie ihr Onkel ihr mehrmals eingeschärft hatte. Was, wenn Lady Avery beschloss, die pikanteren Details allen Anwesenden zu unterbreiten?
„Lord Vere sagt, Sie hätten seinen Bruder in die Flucht geschlagen, Lady Avery“, rief Miss Kingsley fröhlich.
„Unsinn. Ich habe bereits während der Saison alles aus Lord Frederick herausgequetscht. Er hat gegenwärtig nichts von mir zu befürchten. “
Miss Beauchamp setzte sich neben Lady Avery. „Oh, bitte, erzählen Sie mir, liebe Lady Avery. Was haben Sie aus Lord Frederick
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