Eine skandaloese Liebesfalle
heute Abend nicht zu früh nach oben geht.“
„Das wird zu schaffen sein“, erklärte Lady Kingsley. „Ich werde mir einen Grund einfallen lassen, damit sie noch ein wenig bei mir bleibt, wenn die anderen sich schon zurückgezogen haben. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass es für einen längeren Zeitraum funktioniert.“
Miss Kingsley erschien am oberen Ende der Treppe. „Lord Vere, dürfte ich mir kurz meine Tante borgen? Miss Melbourne kann sich einfach nicht entscheiden, was sie anziehen soll.“
„Sie sehen, was Sie erreichen können, und ich kümmere mich um den Rest“, sagte Vere gerade laut genug, dass Lady Kingsley ihn verstehen konnte. Dann hob er seine Stimme und erklärte: „Natürlich dürfen Sie sie haben, Miss Kingsley. Hier, sie gehört ganz Ihnen - mit meinen besten Wünschen.“
Es war eine gute Unterhaltung, über London und seine Umgebung, die Landschaften, die Lord Frederick gern malte. Aber es war kein aufregendes Gespräch. Nicht dass Elissande sich etwa mit aufregenden Gesprächen auskannte, aber sie spürte das Fehlen eines Funkens.
Lord Frederick schaute sie nicht an. Er schien gleichsam ein hungriges Rindvieh zu sein und sie nichts weiter als ein Ballen frisch duftenden Heus. Himmel, warum dachte sie in Bildern, die aus der Viehzucht stammten? Nie zuvor hatte sie das getan. Lord Frederick war höflich und zuvorkommend, aber er verriet durch nichts, dass er eine Vorliebe für Elissande hätte.
Die Schuld daran gab sie Lord Vere. Viel zu schnell kehrte er zurück, übrigens immer noch in der eigelbbefleckten Hose. Sein endloses Gerede von Schafen musste Lord Frederick allen Lebenssaft und alle Energie entzogen haben, der seinem Bruder ja schon Tausende und Abertausende von Stunden, deren genaue Zahl der Himmel allein kannte, hatte lauschen müssen.
„Penny, du hast vergessen, deine Hose zu wechseln.“ Lord Frederick wies seinen Bruder auf den Makel hin.
„Das war es also!“, rief Lord Vere. „Ich bin in mein Zimmer gekommen, konnte mich aber partout nicht mehr erinnern, weswegen ich da war. Mist.“
Idiot!
„Vielleicht sollten Sie einen erneuten Versuch unternehmen?“, schlug Elissande vor und verzog die Lippen. Sie wünschte sich, mit ihrem Lächeln könnte sie Pfeile auf ihn zielen, und zwar so viele, dass Lord Vere von mehr durchbohrt wäre als der heilige Sebastian.
„Ach, das nützt jetzt auch nichts mehr. Ich werde es nur wieder vergessen“, winkte Lord Vere ab. „Ich kann genauso gut warten, bis ich mich für die Jagd umziehe. Wie ist es hier übrigens um die Jagd bestellt, Miss Edgerton?“ Blickte er schon wieder auf ihren Busen? Seine Augen waren jedenfalls nicht auf ihr Gesicht gerichtet. „Ich fürchte, wir haben hier nicht genügend Wild dafür, Sir.“ Seine Augen schauten weiter auf die eine Stelle. „Nein? Hm, dann nehme ich an, wir werden Tennis spielen müssen.“
„Es tut mir leid, aber uns ermangelt es auch an einem Tennisfeld.“
„Und was ist mit Bogenschießen? Als Bogenschütze bin ich nicht so schlecht.“
Neben ihm begann Lord Frederick unbehaglich hin und her zu rutschen.
„Angesichts des Gesundheitszustands meiner Tante und der Rücksichtnahme meines Onkels darauf gibt es hier nichts, das Lärm verursachen kann. Vielleicht möchten Sie stattdessen einen Spaziergang unternehmen, Mylord?“
„Ich war schon vor dem Frühstück spazieren - erinnern Sie sich nicht mehr daran, Miss Edgerton? Ich nehme an, ich könnte mich mit einem Krocketspiel begnügen.“
Wie schaffte er das nur? Wie konnte er mit ihr eine Unterhaltung führen, während seine Augen irgendwo zwischen ihren Brüsten hängen geblieben waren?
„Es tut mir leid, aber für Krocket fehlt uns die nötige Ausrüstung.“
„Nun“, bemerkte Lord Vere, genügend genervt, um ihr endlich ins Gesicht zu sehen. „Womit vertreiben Sie sich denn sonst die Zeit, Miss Edgerton?“
Sie sandte ihm ein Lächeln, das ihn hätte für alle Ewigkeiten blenden müssen. „Ich kümmere mich um meine Tante. “
„Das ist natürlich außerordentlich bewundernswert, aber doch auch sicher unerträglich langweilig, so ganz ohne vergnügliche Ablenkungen?“
Es gelang ihr, ihr Lächeln beizubehalten, aber es erforderte einige Anstrengung. Er reizte sie wie ein Stein im Schuh.
„Langweilig ist beileibe nicht das richtige ...“
Sie brach ab. Das befürchtete Geräusch: Kutschenräder auf der Auffahrt. „Entschuldigen Sie mich“, sagte sie und stand vom Tisch
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