Eine skandaloese Liebesfalle
Bündel Briefe, die mit einer lilafarbenen Schleife zusammengebunden waren, sowie ein kleines Ölgemälde, das einen weiblichen Akt zeigte.
Sie war sich sicher, dass es Lord Frederick freuen würde, wenn er das Bild sehen könnte. Sie hatte es ihm aus einem einzigen Grund noch nicht gezeigt: Sie hatte Angst, dass es ihre Mutter darstellte, und man lief schließlich nicht einfach herum und ließ Männer einen Blick auf die eigene Mutter werfen, so wie der Herrgott sie geschaffen hatte.
Aber jetzt schlug sie alle Skrupel in den Wind.
„Meine Güte, aber das ist ja ein Delacroix! “, rief Lord Frederick.
Der Name sagte ihr nichts. Die Bücher über Kunst, die früher mal in der Bibliothek zu finden waren, hatten sich auf die Kunst der klassischen Antike und der Renaissance beschränkt. Aber Lord Fredericks Gesichtsausdruck nach zu schließen, das Entzücken und Ehrfurcht erkennen ließ, war ein Delacroix nicht zu verachten.
„Glauben Sie wirklich, Lord Frederick, dass es ein Delacroix ist?“
„Ich bin mir beinahe zu hundert Prozent sicher.“ Er hielt das kleine Gemälde dichter vor seine Augen. „Die Unterschrift, der Stil, der Einsatz von Farbe - ich wäre
entsetzt, wenn es kein Delacroix wäre.“
Seine Begeisterung war ansteckend. Es musste ein Fingerzeig des Himmels sein. Wie sonst war es möglich, dass ihre Schatzkiste, die nichts von Wert - außer von sentimentalem - enthielt, sich ausgerechnet an diesem Tag als so überraschend hilfreich erweisen sollte?
„Es ist erlesen“, murmelte Lord Frederick hingerissen.
Sie starrte ihn an, ähnlich hingerissen von ihrem plötzlichen Glück.
„Wie kommt es, dass Sie einen Delacroix haben?“, wollte Lord Frederick wissen.
„Ich habe keine Ahnung. Ich nehme an, mein Vater muss das Gemälde erstanden haben. Er lebte in den frühen Siebzigern in Paris.“
„Das glaube ich eher nicht“, bemerkte Lord Vere spöttisch.
Lady Kingsley musste Briefe schreiben. Lady Avery war mit den anderen jungen Damen nach Ellesmere gefahren. Die meisten Herren waren gegangen, um das, was es auf Woodley Manor an Moorhühnern gab, zu jagen. Lord Frederick hatte dankend abgelehnt, sich daran zu beteiligen, unter Verweis auf sein mangelndes Interesse, die armen Vögel zu belästigen. Lord Vere, der ursprünglich die Absicht geäußert hatte, mit auf die Jagd zu gehen, hatte zu Elissandes geheimer Erbitterung daraufhin seine Meinung geändert und beschlossen, seinem Bruder Gesellschaft zu leisten.
Daher saß er am anderen Ende des Morgensalons und spielte Solitär. Elissande hatte sich größte Mühe gegeben, seine Anwesenheit zu ignorieren, aber jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu ihm umzudrehen. Er schaute nicht von den Karten auf, die er vor sich ausgebreitet hatte - und es war nicht Solitär, was er da vor sich liegen hatte, sondern einfach eine lange Kartenreihe, aus der er nacheinander willkürlich einzelne Blätter aufdeckte.
„Wie bitte, Sir? Sie glauben nicht, dass mein Vater in Paris gelebt hat?“
„Oh, ich bin mir sicher, das hat er, aber ich bin mir nicht so sicher, ob er auf ehrliche Art und Weise in den Besitz des Delacroix’ gekommen ist“, erklärte Lord Vere fast beiläufig. „Lady Avery hat mir beim Dinner gestern praktisch das Ohr abgeschwatzt. Sie hat mir erzählt, dass Ihr Großvater, Miss Edgerton, ein Kunstliebhaber war, und dass Ihr Vater ihm ein paar Stücke gestohlen hat, ehe er mit Ihrer Mutter durchgebrannt ist.“
Einen Augenblick lang war Elissande schlicht überwältigt. Ihr Onkel hatte eine Reihe unschöner Dinge über ihre Eltern gesagt, aber wenigstens hatte er ihren Vater nie des Diebstahls bezichtigt.
„Bitte, sprechen Sie nicht schlecht von den Toten, Mylord“, sagte sie schließlich mit wutbebender Stimme.
„Die Wahrheit auszusprechen ist nicht das Gleiche, wie schlecht von jemandem zu sprechen. Außerdem ist es eine faszinierende Geschichte, zumal Ihre Mutter ja eine Frau war, die sich aushalten ließ. Wussten Sie eigentlich, dass sie die Mätresse Ihres Großonkels war, ehe sie Ihren Vater heiratete?“
Natürlich wusste sie das. Ihr Onkel hatte dafür gesorgt, dass sie die Schande, die ihre Eltern mit ihrer Ehe sich und ihren Familien bereitet hatten, genau verstand. Aber es war eine Verletzung aller Regeln der Höflichkeit, wenn Lord Vere öffentlich darüber sprach, und zudem mit solcher Missachtung der Auswirkungen.
Zum ersten Mal wies Lord Frederick, dessen Ohrenspitzen rot angelaufen waren, seinen
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