Eine skandalöse Versuchung
Ich wollte ohnehin heute noch mit ihm sprechen. War er es, der sich so unangenehm verhalten hat, oder …«
Sie verzog das Gesicht. »Ich möchte nicht behaupten, dass er sich aus eigenem Antrieb so verhalten hat. Ich nehme eher an, es lag an den Leuten, die ihn beauftragt haben - kein Makler könnte lange im Geschäft bleiben, wenn er sich immer derart aufführt; und bisweilen schien ihm sein eigenes Verhalten sogar regelrecht unangenehm zu sein.«
»Verstehe.« Er sah sie wieder an. »Und von welchen anderen Vorfällen haben Sie gesprochen?«
Sie war nicht gewillt, mit ihm darüber zu sprechen, und wünschte sich inständig, sie hätte die Vorfälle gar nicht erst erwähnt; ihre Augen und ihre Lippen verrieten dies nur allzu deutlich.
Er wartete ab und sah ihr unverwandt in die Augen; unbeirrt ließ er die Stille andauern, seine Haltung unnachgiebig, aber nicht drängend. Wie schon viele andere vor ihr deutete sie seine Botschaft richtig und gab spitz zurück: »Man hat zweimal versucht, bei uns einzubrechen.«
Er sah sie nachdenklich an. »Beide Male, nachdem Sie den Kauf abgelehnt hatten?«
»Der erste Einbruchsversuch geschah eine Woche nachdem Stolemore aufgegeben hatte und uns endlich in Ruhe ließ.«
Tristan zögerte, doch sie sprach seine Gedanken aus.
»Natürlich besteht zwischen den Einbruchsversuchen und dem Kaufangebot kein eindeutiger Zusammenhang.«
Außer, dass sie selbst felsenfest davon überzeugt war.
»Ich nahm an«, fuhr sie fort, »wenn Sie und Ihre Freunde hinter diesen mysteriösen Offerten gesteckt hätten, so würde dies bedeuten, dass die versuchten Einbrüche und …«, sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig und nahm einen tiefen Atemzug, »nichts mit dem Verkauf zu tun hätten, sondern andere Gründe haben müssten.«
Er nickte leicht; ihre Argumentation war stichhaltig, und dennoch hatte sie ihm ganz offensichtlich etwas vorenthalten. Er war einen Moment lang unschlüssig, ob er sie zu einer Antwort drängen und sie geradeheraus fragen sollte, ob die versuchten Einbrüche der einzige Grund waren, weshalb sie zu ihm herausgestürzt war, um sich - allen gesellschaftlichen Gepflogenheiten zum Trotz - hier ein Gefecht mit ihm zu liefern. Sie warf einen kurzen Blick hinüber zum Eingangstor. Eine solche Befragung konnte warten; wie die Dinge standen, mochte ein Gespräch mit Stolemore sich als aufschlussreicher erweisen. Als ihr Blick zu ihm zurückkehrte, lächelte er sie an. Und zwar äußerst charmant. »Ich würde sagen, Sie haben mir etwas voraus.«
Als sie ihn verständnislos anblinzelte, fuhr er fort: »Da wir von nun an gewissermaßen Nachbarn sind, wäre es doch sicher nicht unangemessen, wenn Sie mir Ihren Namen verrieten.«
Sie musterte ihn - nicht argwöhnisch, aber abschätzend. Dann nickte sie und hielt ihm die Hand hin. »Miss Leonora Carling.«
Sein Lächeln wurde breiter. Er ergriff für einen kurzen Moment ihre Finger und verspürte den unbändigen Drang, diese festzuhalten. Sie war also keineswegs verheiratet. »Freut mich, Miss Carling. Und Ihr Onkel ist …?«
»Sir Humphrey Carling.«
»Und Ihr Bruder?«
Ihre Augen funkelten skeptisch. »Jeremy Carling.«
Er lächelte unbeirrt weiter, um mögliche Bedenken zu zerstreuen. »Leben Sie schon lange hier? Dies scheint mir auf den ersten Blick eine eher friedliche Gegend zu sein, oder täuscht dieser Eindruck?«
Ihre leicht zusammengekniffenen Augen verrieten, dass sie sich nicht von ihm täuschen ließ. Sie beantwortete nur seine zweite Frage. »Überaus friedlich.«
Zumindest bis vor Kurzem. Sie hielt seinem unangenehm eindringlichen Blick stand. Dann fügte sie mit unmissverständlichem Nachdruck hinzu: »Wir wollen hoffen, dass es auch so bleibt.«
Sie sah, wie seine Mundwinkel flüchtig zuckten, ehe er seinen Blick zu Boden sinken ließ.
»In der Tat.« Mit einer einladenden Bewegung bot er an, sie die paar Schritte zum Tor zu begleiten. Sie wandte sich bereitwillig um, doch im nächsten Moment wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie ihm damit stillschweigend eingestanden hatte, nur seinetwegen aus dem Haus gestürmt zu sein. Sie sah zu ihm auf und erkannte an seinem Blick, dass er ihr Eingeständnis durchschaut hatte. Schlimm genug. Doch der funkelnde Ausdruck in seinen haselnussbraunen Augen, der all ihre Sinne durchzuckte und ihr den Atem stocken ließ, war noch unendlich viel schlimmer.
Aber schließlich ließ er seine Augenlider sinken und lächelte so charmant wie zuvor. Sie kam immer
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