Eine Socke voller Liebe
Felix, Eva u. Tanja.“
Sie war überrascht, dass Felix seinen Vater erwähnte.
„Das hört sich ja fast so an, als hätte er ihn besucht“,
folgerte Andrea aus dem Text.
„Na, das würde mich aber sehr wundern“, zweifelte Sabine.
„Lass dich überraschen.“
„Vielleicht war das die Überraschung, die Tanja kurz erwähnt
hatte“, überlegte Sabine.
„Du wirst es noch früh genug erfahren.“
„Das glaube ich auch, aber trotzdem bin ich jetzt neugierig.“
Sie überlegte einen Moment, bevor sie weitersprach: „In acht
Tagen fliegen wir wieder nach Hause. Eigentlich mag ich noch gar nicht daran
denken.“ Ihre Stimme klang ein bisschen traurig.
Dann tippte sie eine kurze Antwort an Felix ein und wenige
Minuten später erfuhr sie von ihm, dass er gemeinsam mit seiner Schwester den
Vater in der Klinik besucht hatte.
„Du hattest Recht, er war tatsächlich mit Tanja bei Markus.
Weißt du, dass ich mich darüber unheimlich freue?“
„Ja, ich auch. Für Markus ist es bestimmt sehr wichtig und
hilfreich, dass Felix ihn besucht hat.“
„Schon wieder ein Grund, um dankbar zu sein“, sagte Sabine
nachdenklich.
Sie fühlte sich auf eine besondere Art beschwingt, als sie
mit Andrea nach der kurzen, erfrischenden Pause weiter über den malerischen
Waldweg wanderte.
Zwei Stunden später führte sie der Camino über Feldwege,
vorbei an grünen Kuhweiden und einsamen Gehöften.
Ein Wanderer kam ihnen entgegen, der nicht nur einen Rucksack
auf dem Rücken, sondern auch ein großes Holzkreuz vor der Brust trug.
„Der sieht zwar aus wie ein frommer Pilger, mit seinem
Riesenkreuz vor dem Bauch“, meinte Andrea, „aber er läuft doch in die falsche
Richtung, oder?“
„Ich habe schon lange keine gelben Pfeile mehr gesehen“, fiel
Sabine ein.
„Das fehlte noch, dass wir vom Weg abgekommen und in die
falsche Richtung gelaufen sind. Wir fragen ihn, wohin er geht.“ Als der Fremde
an ihnen vorbeilief, sprach Andrea ihn an. Er amüsierte sich köstlich über die
Unsicherheit der beiden Frauen. Sein sonnengegerbtes Gesicht überzog sich mit
runzeligen Lachfalten.
„Nein, nein, ihr seid schon auf dem richtigen Weg. Ich bin
auf dem Rückweg von Santiago de Compostela. Vor fünf Tagen bin ich in der
Pilgerstadt angekommen, und jetzt laufe ich wieder zurück nach Saint Jean Pied
de Port. Aber ihr seid nicht die Ersten, die ich verunsichert habe“, lachte er
vergnügt und setzte seinen Weg fort.
Andrea stellte fest: „Na, der war ja man gut drauf!“
Sabine schüttelte den Kopf: „Unglaublich! Läuft den Weg
zweimal! Und dann auch noch mit diesem Gewicht vor dem Bauch! Es ist nicht zu
fassen!“
„Er sah aus wie ein Bergbauer mit seinem karierten Hemd und
dem Gamsbart am Hut.“
„Ja, nur die Krachlederne fehlte noch.“
„Die hatte er doch im Gesicht!“, Andrea freute sich über
ihren eigenen Witz und fing schallend an zu lachen.
Sabine sah sie verdutzt an und kicherte: „Vielleicht haben
wir ja auch schon so eine Lederhaut bekommen, und es nur noch nicht gemerkt.“
„Lass dich anschauen.“ Andrea sah ihrer Freundin ins Gesicht:
„Nee, du jedenfalls nicht. Du siehst eher aus wie eine in die
Jahre gekommene Pippi Langstrumpf mit deinen vielen Sommersprossen und den
roten Haaren.“
„Na danke! Und du?“, Sabine schaute kritisch und überlegte
einen Moment, „naja, eher wie eine alte Indianerbraut, die auf ihren Häuptling
wartet.“
„Du alte Stänkerliese!“
Ausgelassen lachten sie um die Wette wie zwei alberne
Teenager, und das Laufen wurde dabei zur Nebensache.
Das letzte Stück Weg ihrer heutigen Etappe war über und über
mit Kuhfladen verziert. Eine Tatsache, die ihre Lachmuskeln noch mehr anheizte
und sie zu einem albernen „Kuhfladenhopping“ verführte.
Eine gemütliche Herberge, die Teil eines kleinen Gehöftes war,
lud sie zur Einkehr ein. Eine junge Spanierin führte die Pilgerinnen eine
knarrende alte Holztreppe hinauf in den Schlafraum. Dicke Holzbalken stützten
das Dachgerüst. Sechs Betten standen in reichlichem Abstand nebeneinander und
waren mit bunten Decken belegt.
Sabine und Andrea freuten sich über die ruhige Umgebung. Der
Weiler bestand aus dem Gehöft und einer winzigen Kapelle.
Bis zum Dunkelwerden saßen die Freundinnen still
nebeneinander auf einem dicken Baumstamm hinter dem Haus. Auf den saftigen Wiesen
grasten Kühe. In der Ferne waren bewaldete Hügel zu sehen. Ab und zu muhte eine
Kuh oder zwitscherte ein Vogel. Eine friedliche
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