Eine Spur von Lavendel (German Edition)
ziemlich ratlos gewesen bist. Ich war furchtbar wütend auf meinen Sohn, weil er dich vertrieben hatte, Alexander. Trotz deiner Jugend warst du zu der Zeit mein liebster Gesprächspartner und wichtigster Ratgeber.“ Ihr Lächeln war warm und ehrlich.
Erneut nickte Alexander und lächelte zurück. „Auch du warst damals sehr wichtig für mich, Anneliese.“
„Dann lernte Frank kurze Zeit später Linda kennen und heiratete sie schneller, als ich es je für möglich gehalten hatte. Dieses wundervolle Mädchen eroberte sofort mein Herz. Linda brachte die helle Freude zurück in mein Leben. Sie war ein so fröhliches, hübsches Mädchen – und sie war wirklich sehr verliebt in Frank. Wie du dir sicher denken kannst, war mein Glück vollkommen, als dann auch noch Charlotte zur Welt kam, und ich half Linda mit der Kleinen, wo ich nur konnte.“
Noch einmal machte sie eine kleine Pause. Mit leicht zitternden Fingern zog sie sich eine weitere Zigarette aus der Packung, und Alexander gab ihr Feuer.
Anneliese lächelte dankbar, dann sprach sie weiter. „Frank hatte inzwischen zur Kripo gewechselt und arbeitete sehr viel, sodass Linda für jede Hilfe von mir sehr dankbar war. Wir waren in dieser Zeit fast täglich zusammen. Mir blieb es nicht lange verborgen, dass Linda in ihrer Ehe alles andere als glücklich war und dass ich meinen Sohn fast nie zu Hause antraf, wenn ich sie besuchte. Natürlich versuchte ich, mit ihr darüber zu reden, aber sie blockte meine Fragen kategorisch ab. Ich rief Frank in seinem Büro an und verabredete mich mit ihm zum Essen. Das Gespräch verlief leider sehr unschön. Er drohte mir, dafür zu sorgen, dass ich Linda und Charlotte nicht mehr sehen könne, wenn ich mich nicht aus seinem Leben und aus seiner Ehe heraushalten würde. Die Art, wie er mit mir sprach, ließ keinen Zweifel daran, dass er seine Drohung auch wahr machen würde. Zum ersten Mal erinnerte er mich in fataler Weise an seinen Vater, und mir wurde übel bei diesem Gedanken.“
Ihre Augen wurden feucht. „Lindas Unglück war bald nichtmehr zu übersehen. Es wurde immer schlimmer. Zuerst verlor sie ihre natürliche Fröhlichkeit fast ganz. Dann fing sie an, diese verdammten Schlaftabletten zu schlucken, und wurde immer dünner und blasser. Mir krampfte sich das Herz zusammen, wenn ich sie sah. Wenig später entdeckte ich zufällig diese blauen Flecken an ihrem Oberkörper. Du kannst dir sicher vorstellen, was damals in mir vorging. Trotzdem sprach ich mit ihr nie wieder über Frank, denn ich wollte sie nicht zusätzlich gefährden. Ich wusste nur allzu gut, welchen begründeten Ängsten sie ausgesetzt war.“
Ein raues Lachen entglitt ihrer Kehle. Bevor sie weitersprach, nahm sie einen langen Zug von ihrer Zigarette und blies den Rauch hörbar aus. „Der Rest war dann fast eine Kleinigkeit. Wenn man über so viele Jahre eine Imbissstube führt, hat man viele Stammkunden, und es ergeben sich die unterschiedlichsten Kontakte. Bei mir essen Banker und Kaufleute, Versicherungsfuzzis, Hausfrauen mit ihren Kindern und Kraftfahrer ihre Currywurst, aber unter meinen Kunden finden sich durchaus auch ein paar Jungs, denen man nicht so gerne im Dunkeln begegnen würde. Ob du es glaubst oder nicht, diese Art Jungs sind meistens die treuesten Kunden. Einige kommen schon seit vielen Jahren zu mir.“
„Du hast jemanden auf Frank angesetzt, nicht wahr?“, unterbrach Alexander nun ihren Bericht.
„Ja. Das heißt, zunächst natürlich nur, um herauszufinden, was mein Sohn in seiner Freizeit so tut. Es dauerte nicht lange, da wusste ich fast alles über sein widerliches Geschäft. Ich war so unendlich schockiert und maßlos wütend. Mein erster Impuls war es, mit Walter darüber zu sprechen, und offensichtlich überrumpelte ich ihn völlig damit, denn er versuchte gar nicht erst, zu verheimlichen, dass er über die Machenschaften seines Bruders bereits seit längerer Zeit im Bilde war. Wir sprachen lange miteinander an diesem Abend. Walter gestand mir, dass er schon seit einiger Zeit in Linda verliebt sei und deshalb nichts unternommen habe. Auch er wollte sie in erster Linie vor Frank beschützen.“
Verfluchter Lügner, dachte Alexander.
„Er erzählte mir auch, dass Linda mit ihm über die Misshandlungen gesprochen hatte, denen sie ausgesetzt war“, fuhr Anneliese fort. „Ich musste also mit der Tatsache fertigwerden, dass mein Sohn jahrelang ein Doppelleben führte, ein Zuhälter und Betrüger war. Ein widerlicher,
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