Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Menschen hatte täuschen können.
Ihr Kopf sank herab, doch dann straffte sie abrupt ihre Schultern und drückte ihr Rückgrat durch. „Du wirst mich jetzt mitnehmen müssen, nicht wahr, mein Junge?“
„Pack das Notwendigste zusammen, Anneliese. Kommissar Kroning wird dafür Sorge tragen, dass deine Aussage schriftlich festgehalten wird. Er kümmert sich um alles Weitere.“
Sie stand auf, und auch Tobias Kroning erhob sich. Er warf Alexander einen kurzen Blick zu und bezog Stellung vor der Haustür.
„Ich werde nicht versuchen, wegzulaufen, Herr Kroning. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich wüsste ja gar nicht, wo ich hinsollte.“
Noch einmal drehte sie sich zu Alexander um. „Ich habe Linda noch nie zuvor so strahlend schön gesehen wie an deiner Seite, Alexander. Du wirst sie auch weiterhin so glücklich machen und für all das Leid entschädigen, dessen bin ich mir sicher.“
Alexander erwiderte nichts, sondern blickte ihr stumm hinterher, als sie ins Schlafzimmer verschwand, um ihre Sachen zu packen. Er achtete darauf, dass die Tür offen blieb, um Anneliese vom Flur aus im Auge behalten zu können.
Nur das leichte Zucken eines Gesichtsmuskels unterhalb seines rechten Auges verriet seine angeschlagene Gemütsverfassung, als er sich schließlich wieder seinem Freund und Kollegen zuwandte. „Die Waffe muss sichergestellt werden, Kroning.Kümmere dich zuerst darum. Ich gehe jetzt runter und schicke dir Wagner rauf. Es wird Zeit, dass ich hier raus- und nach Hause komme. Es ist euer Fall.“
Tobias nickte und zog sein Handy aus der Jackentasche.
Erst nachdem er schon eine ganze Weile zu Hause war, bemerkte Alexander, wie umfassend seine Erschöpfung eigentlich war. Wie ein natürliches Beruhigungsmittel durchströmte sie seinen Körper.
Monika hatte sich noch vor dem Abendessen von ihnen verabschiedet. Alexander nahm an, dass sie, obwohl ihre offizielle Dienstzeit bereits seit Stunden beendet war, sofort ins Präsidium fahren würde, um Tobias bei der nun folgenden Routinearbeit unter die Arme zu greifen.
Direkt nach seinem Eintreffen hatte Alexander beiden Frauen zunächst eine kurze Zusammenfassung von Annelieses Aussage gegeben und sich dann einen doppelten Cognac eingegossen, den er in einem einzigen Zug hinuntergestürzt hatte.
Jetzt saß er stumm in der Küche und sah Linda beim Einräumen der Spülmaschine zu. Sie hatte kaum noch geweint, und Alexander war froh über die unerwartete Stärke, die sie jetzt ausstrahlte. Bevor sie sich wieder zurück zu ihm an den Tisch setzte, kippte sie seinen Aschenbecher aus und stellte ihn wieder zurück auf den Küchentisch. Gegessen hatte er kaum etwas, aber er rauchte fast ununterbrochen.
„Ich werde mich um einen guten Anwalt für sie kümmern, Alex“, durchbrach sie die Stille.
Sein müder Blick hob sich, und Linda erschrak über die tiefe Traurigkeit, die sie in seinen Augen erkennen konnte.
„Auch wenn es schwerfällt, Liebling, du solltest die ganze Geschichte nicht nur mit den Augen der Liebe sehen, die du Anneliese entgegenbringst. Stelle dich lieber der schrecklichen Wahrheit. Es bringt nichts, wenn du dir unnötig etwas vormachst.“
„Wie meinst du das?“
Er zündete sich eine neue Zigarette an und erhob sich, um mit knapp bemessenen Schritten vor ihr auf und ab zu gehen.„Ich weiß genau, dass du im Moment nur daran denken kannst, dass sie es für dich und deine Tochter getan hat, nicht wahr? Du denkst, ihre Liebe für euch sei so groß, dass sie dafür sogar ihren eigenen Sohn umgebracht hat, weil der dich gequält und getäuscht hat.“
Linda nickte.
„Das ist aber grundverkehrt, Linda! Grundverkehrt!“
Erschrocken blickte sie unter ihren geschwollenen Lidern zu ihm auf. „Aber genau so ist es doch gewesen, Alex. Sie hat das Gleiche in ihrer eigenen Ehe durchgemacht. Jetzt sah sie, wie unglücklich und verängstigt ich war, und sie wollte dem ein Ende setzen.“
„Nein!“ Alexander drückte seine Zigarette aus, setzte sich ihr wieder gegenüber und ergriff ihre Hände. „Nein, Liebling. Ich habe heute Abend mehr erfahren, als ich eigentlich wollte – und es tat sogar mir weh. Ich habe mit so vielen Mördern zu tun gehabt. Es gab für sie immer irgendeinen Grund, um es zu tun. Gefühle wie falsche Liebe, Eifersucht, Hass, Neid und auch Rache. Aber für mich, Linda, für mich ist keines dieser Gefühle Grund genug, um einen Menschen zu töten. Niemand hat das Recht dazu, das Leben eines anderen Menschen zu
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