Eine Spur von Lavendel (German Edition)
gegen Linda bald fallen lassen, aber in deinem Fall lag die Sache vollkommen anders, Anneliese. Niemand, einfach niemand traute dir den Mord an deinem eigenen Sohn zu. Keiner meiner Kollegen hätte dich ernsthaft als Mörderin in Betracht gezogen. Du bist einfach … eine zu wunderbare Frau. Eine außerordentlich sympathische, warmherzige und stets verständnisvolle Person, die furchtbar um ihren jüngsten Sohn getrauert hat. Deine überaus mütterliche Ausstrahlung war dein Schutzschild. Ich erinnere mich an niemanden, der nicht sofort von dir eingenommen gewesen wäre.“
„Und du, Alex? Hast du mein Alibi überprüft?“
„Nein. Das erschien mir inzwischen überflüssig und unwichtig. Die fehlende Überprüfung deines Alibis ließ nur den Keim meines Verdachts reifen, sonst nichts.“
„Du sagtest, du seist zweimal … gestolpert.“ Mit ruhigen, auffallend gelassenen Bewegungen schenkte sie ihnen Kaffee nach.
Tobias räusperte sich verlegen, blieb aber ansonsten weiterhin vollkommen still.
Anneliese lächelte ihm wohlwollend und mütterlich zu, während sie auch seine Tasse wieder auffüllte und den Teller mit Gebäck, der auf dem Tisch stand, ein Stückchen weiter zu ihm hinschob.
Alexander holte währenddessen zum entscheidenden Schlag aus. „Ich habe erst aus unseren Unterlagen erfahren müssen, dass Walter und Frank aus der ersten Ehe deines verstorbenen Mannes stammten, Anneliese.“
Für einen winzigen Moment hielt sie mitten in ihrer Bewegung inne und starrte Alexander an.
„Wir zwei haben früher über Gott und die Welt miteinander gesprochen. Nächtelang haben wir dort drüben in deiner Küche vor einer riesigen Kanne mit starkem Kaffee gesessen und geredet, während Frank schon lange im Bett lag und seinen üblichen Wochenendrausch ausschlief. Aber über dieses Thema hast du niemals auch nur ein einziges Wort verloren“, fuhr er fort. „Auch Frank hat mir gegenüber nie etwas davon erwähnt. Die Tatsache, dass er gar nicht dein Sohn war, hat mich also ziemlich überrascht.“
Ihre Augen drückten plötzlich eine unendlich tiefe Traurigkeit aus. „Und du glaubst jetzt, dass genau das dein fehlendes Verbindungsstück ist, oder?“
Beschwichtigend hob Alexander beide Hände. Der schlichte schmale Goldreif, den er neuerdings an seinem linken Ringfinger trug, reflektierte den Schein des kitschigen Kristallleuchters, der von der Decke hing. „Nicht direkt. Ich glaube nur, dass deine Bereitschaft zum Mord an Frank auch damit etwas zu tun hatte. Nicht weil du ihn etwa weniger geliebt haben könntest als einen leiblichen Sohn, nein, dafür kenne ich dich zu gut. Du hast Frank und auch Walter sicherlich immer sehr geliebt. Ich glaube viel eher, Anneliese, es könnte etwas mit dem Vater der beiden zu tun haben.“
Sie sprang auf, ließ sich aber sofort wieder in ihren Sessel zurückfallen.
Ihre schnelle, unerwartete Bewegung veranlasste Tobias dazu, reflexartig zu reagieren. Seine Hand war bereits auf dem Weg zu seinem Holster gewesen, doch weil er sich deshalb schon in der nächsten Sekunde albern vorkam, zog er sie langsam zurück und räusperte sich noch einmal.
Alexander ließ Anneliese nicht aus den Augen, aber er war vollkommen ruhig sitzen geblieben. Äußerlich wirkte er absolut entspannt und souverän. „Sprich mit mir, Anneliese! Sag mir, warum Frank und seine Geliebte wirklich sterben mussten.“
Ihre Blicke tauchten ineinander. Einige Zeit blieb es sehr still im Raum. „Kann ich … alleine mit dir sprechen, Alexander?“ Kurz schaute sie zu Tobias Kroning hinüber, der mit ineinander verschränkten Händen vornübergebeugt dasaß und dessen Gesicht man die wachsende Anspannung jetzt deutlich ansehen konnte.
Alexander schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid, Anneliese. Dieses Mal nicht. Abgesehen davon ist Kommissar Kroning hier offiziell der ermittelnde Beamte. Er tut uns beiden nur einen kleinen Gefallen, indem er sich ein wenig zurückhält.“
„Verstehe.“ Sie nickte und schloss für einige Sekunden ihre Lider.
Alexander wusste, dass sie das tat, um ihre letzten Energien zu mobilisieren.
Schließlich atmete sie tief ein und trank mit zitternden Händen den Rest ihres Kaffees aus. „Hast du eine Zigarette für mich, Junge? Meine liegen noch irgendwo in der Küche.“
„Du rauchst wieder?“
„Ich habe nie damit aufgehört.“
„Seit unserem Wiedersehen habe ich dich nie mehr rauchen sehen. Deshalb bin ich davon ausgegangen, du hättest es schon vor Jahren
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