Eine Spur von Lavendel (German Edition)
lächelte er ein wenig, weil Richard offenkundig die tiefe Abneigung gegen jede Art von Kämmen und Bürsten mit ihm teilte. „Ja, ich will dir nichts vormachen, Richie, das werde ich. Dort ist mein Zuhause und auch meine Arbeit.“
„Ja“, sagte der Junge nachdenklich und mit ernstem grauem Blick. „Das kann ich verstehen.“
„Außerdem wartet dort ja auch Charlie auf ihre Mutter und auf mich“, fügte Alexander noch hinzu. „Und Linda hat ihren kleinen Laden.“
„Och, Charlie ist doch schon so groß.“ Richard zog seine kleine Nase kraus.
Alexander legte seinen Kopf schief und grinste. „Nun, einige Jahre wird sie schon noch bei Linda und mir wohnen bleiben.“
Wieder machte Richard ein sehr nachdenkliches Gesicht. „Onkel Alex?“
„Mhm.“
„Muss ich jetzt für Nicki sorgen? Ich meine, auf sie aufpassen und so?“
„Wir passen alle zusammen auf sie auf, okay? Aber du solltest im Augenblick ganz besonders lieb zu ihr sein. Du bist der Große. Es ist wichtig für sie, dass sie sich jetzt auf dich verlassen kann, Kumpel.“
Der Junge nickte heftig, und mit seinen dunkelgrauen Augen erwiderte er Alexanders ernsten Blick. „Ich verspreche dir, dass ich ganz schrecklich lieb zu ihr sein werde, Onkel Alex“, sagte er feierlich.
„Das ist für mich eine große Beruhigung, Richie.“
Richard stand auf und wollte schon hinüber zu seiner Schwester laufen, die von Tobias immer wieder ins Wasser geworfen wurde und sich dabei offensichtlich und unüberhörbar köstlichamüsierte. Halb in der Bewegung hielt der Junge inne und drehte sich noch einmal zu Alexander um.
„Meine Videospiele darf sie aber nicht anfassen.“
„Ja“, entgegnete Alexander so ernsthaft, wie es ihm möglich war. „Alles muss seine Grenzen haben. Da hast du vollkommen recht.“
Nachdem auch Richard wieder platschend ins Wasser gesprungen war, glitt Alexanders Blick zum Haus hinüber. Auf der hinteren Terrasse saßen Linda und seine Mutter nebeneinander und unterhielten sich, während sie Tobias und den Kindern beim Toben zusahen.
Plötzlich fiel ihm das Schlucken schwer. Er wusste, dass es da noch etwas gab, das Claudine auf der Seele lag, und er fragte sich schon seit gestern Abend, warum sie es noch immer vor ihm zurückhielt. Er sah es in ihren Augen, in ihrem flackernden Blick, dass sie sich regelrecht mit etwas herumquälte.
„Bringst du uns heute ins Bett, Onkel Alex?“, fragte Nicole nach dem Abendessen. „Ach bitte, bitte!“
Alexander wechselte einen Blick mit seiner Mutter, bevor er der Kleinen antwortete: „Na, dann würde ich an eurer Stelle aber ganz schnell zum Zähneputzen aufbrechen. In fünf Minuten bin ich oben, und dann will ich blitzsaubere Zähnchen und gewaschene Hände und Gesichter vorfinden.“
Mit einem verhaltenen Jubelschrei sprangen beide Kinder gleichzeitig auf und verließen die Küche. Die Erwachsenen lächelten ihnen nach.
„Es tut gut, sie wieder ein bisschen fröhlicher zu sehen“, bemerkte Claudine. „Das können nur Kinder, nicht wahr?“ Ihre Augen wurden feucht, und sie erhob sich abrupt und beschäftigte sich mit dem Geschirr.
„Warte, ich werde dir helfen“, sagte Linda. Auch ihre Stimme klang belegt.
„Und was kann ich tun?“, fragte Tobias mit hörbar schlechtem Gewissen.
Claudine hatte sich wieder vollkommen im Griff. „Du bleibstda schön sitzen und genießt deinen Wein, junger Mann. Mein Sohn Henri war ganz besonders stolz auf diesen Jahrgang, also genieße ihn mit der ihm zustehenden Würdigung. Du kannst uns ja ein wenig unterhalten, während wir hier aufräumen.“
Alexander brachte zunächst Nicole ins Bett. Nachdem er ein bisschen mit ihr herumgealbert hatte, deckte er sie richtig zu und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Schlaf gut, mein Häschen.“
Ihre kleinen Arme legten sich um seinen Hals und hielten ihn ganz fest. „Ich hab dich so lieb, Onkel Alex.“
„Ich dich auch, Kleines.“ Er musste hier raus, sein Hals wurde bedenklich eng.
„Gute Nacht“, murmelte er mit heiserer Stimme. Noch einmal streichelte er über die babyweiche Wange, dann wandte er sich rasch von der Kleinen ab und verließ das Zimmer. Plötzlich überrollte ihn die Trauer erneut mit einer Vehemenz, der er kaum etwas entgegensetzen konnte. Um Fassung ringend, atmete er mehrere Male tief ein und wieder aus, bevor er die Tür zu Richards Kinderzimmer öffnete, auch ihm eine gute Nacht wünschte und ihn ordentlich zudeckte.
„Kann ich dich in Hamburg besuchen
Weitere Kostenlose Bücher