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Eine Spur von Lavendel (German Edition)

Eine Spur von Lavendel (German Edition)

Titel: Eine Spur von Lavendel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schomann
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begann:
    Lieber Alexander!
    Adrienne und ich haben uns vor einiger Zeit über die Möglichkeit unterhalten, dass uns gemeinsam, oder auch nur mir allein, etwas zustoßen könnte, und wollten für diese Eventualität die notwendige Vorsorge treffen.
    Einer dieser beiden Fälle muss nun offenbar eingetreten sein, denn sonst würdest Du diesen Brief nicht in Deinen Händen halten.
    Wie Du ja unserem gemeinsamen Testament entnehmen kannst, wirst Du die Kinder mit zu Dir nehmen. Sollte jedoch Reny noch leben, wird sie natürlich die Kinder bei sich behalten, deshalb wunderst Du dich vielleicht, warum Du trotzdem diese Zeilen erhältst – doch dazu komme ich später. Zunächst möchte ich Dir noch einmal sagen, wie furchtbar leid es mir noch immer tut, dass wir Dir damals solche Schmerzen zufügen mussten, nur weil wir zwei uns ineinander verliebten. Ich weiß, dass Du mir niemals wirklich verzeihen konntest. Mir würde es schließlich ganz genauso gehen, und ich danke dir dafür, dass Du es immer wieder versucht hast.
    Das, was ich Dir angetan habe, war unter Brüdern unverzeihlich, aber auch ich habe einen verdammt hohen Preis dafür bezahlen müssen. Ich habe meine Frau immer über alle Maßen geliebt, das weißt Du ja, aber es gab nicht einen einzigen Tag, an dem ich wirklich, bis in die Tiefen meiner Seele, glücklich gewesen wäre – nicht einen einzigen Tag! Viel zu groß war meine Schuld.
    Dennoch war es mir stets unmöglich, auf Adrienne zu verzichten. Ihre Liebe war mir heilig, und ihre stete Nähe war für mich unverzichtbar und schlichtweg lebensnotwendig. Adrienne war von Anfang an mein Leben, Alex. Von dem Augenblick an, als ich sie zum ersten Mal an Deiner Seite sah. Ich habe immer gewusst, dass sie mich ebenso geliebt hat wie ich sie, denn sonst wäre sie niemals in der Lage gewesen, Dich zu verlassen. Und nur deshalb habe ich auch den Verrat an Dir, meinem Bruder, einigermaßen ertragen können. Eure Verbundenheit war allerdings tief verwurzelt – auch das habe ich immer gewusst, und oft genug war ich eifersüchtig und zerfressen vom Neid auf das, was Ihr miteinander teilen konntet.
    Doch nun zu den Kindern, Alex.
    Ich werde Dir die Tatsachen darlegen, wie sie sind, und nichts beschönigen.
    Als ich Adrienne heiratete, war sie bereits im fünften Monat schwanger. Wir haben alle in dem Glauben gelassen, dass Richard über einen Monat zu früh auf die Welt gekommen ist, auch Dich. Du weißt so gut wie ich, dass das allein noch keinen Hinweis auf die Vaterschaft geben kann, denn der Zeitpunkt der Zeugung fiel in einen Zeitraum, in dem wir beide, Du und ich, dafür infrage gekommen wären. Aber, Alexander, leider habe ich meine Frau über viele Jahre lang belogen, zumindest habe ich ihr etwas Grundlegendes verschwiegen. Als ich fünfzehn Jahre alt war, habe ich erfahren, dass ich unfruchtbar bin. Diese Tatsache habe ich einer schlichten Kinderkrankheit zu verdanken. Der einzige Mensch, der von meiner Einschränkung wusste, war unsere Mutter …
    Vor Alexanders Augen begannen die Buchstaben zu tanzen. Er hatte nicht bemerkt, dass er seit einiger Zeit schwer und geräuschvoll ein- und ausatmete, und er nahm auch Tobias nicht mehr wahr, der ihn mit wachsender Besorgnis beobachtet hatte und inzwischen direkt neben ihm stand. Erst jetzt spürte Alexanderdie Hand des Freundes auf seiner Schulter. Aufgewühlt blickte er zu ihm auf.
    „Oh, mein Gott!“, war alles, was er hervorbrachte, bevor ihm die Stimme brach und ihm ein unaufhaltsamer wässriger Film die Sicht nahm. Alexander ließ den Brief auf die Tischplatte sinken und vergrub das Gesicht in seinen offenen Handflächen. Erst nach einigen Minuten gewann er seine Fassung zurück. „Entschuldige, Kroning … ich …“
    „Ist schon gut, Alex. Sag mir nur, was ich für dich tun kann.“
    Alexander schob Tobias den Stapel gelber Briefbögen zu. „Ich kann das nicht mehr. Lies mir vor.“ Er tippte auf die Stelle, bis zu der er selbst gekommen war. „Ab da. Du kannst auch vorher den Anfang für dich alleine lesen, damit du …“
    „Bist du dir sicher, Alex?“
    „Ja, zum Teufel, ja. Ich schaffe das nicht.“
    Tobias Kroning hob zögernd und mit sichtbarer Verlegenheit die dicht beschriebenen Seiten auf. Nach einigen nachdenklichen Sekunden begann er schließlich, den Anfang des Briefes zu überfliegen, bis er zu der Stelle kam, auf die Alexander gedeutet hatte. Auch er sog hörbar seinen Atem ein und räusperte sich. Wieder zögerte er.
    Alexander griff

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