Eine Spur von Lavendel (German Edition)
persönliches Alarmsystem handelte. „Das ist doch noch nicht alles, oder?“
Stumm schüttelte Claudine Hellberg ihren dunklen Kopf und legte den großen Umschlag vor sich auf den Tisch. Erst jetzt bemerkte Alexander, dass sich einige silbrig glänzende Strähnen durch die dunkel glänzende Fülle ihres kurz geschnittenen Haares zogen.
„In diesem Umschlag befinden sich zwei Briefe, die an dich persönlich andressiert sind. Der eine Brief ist eine beglaubigte Kopie des Testaments, das dem Notar vorliegt. Der andere Brief ist von Henri. Soweit ich weiß, hat auch Reny noch ein paar Zeilen für dich hinzugefügt.“
Mit zitternder Hand schob sie Alexander den großen Umschlag zu, auf dem, wie er jetzt erkennen konnte, sein Name zu lesen war. Eher widerstrebend legte er seine rechte Hand darauf und verharrte eine kleine Ewigkeit in dieser Haltung. Sein Blick tauchte tief in den seiner Mutter.
„Vielleicht möchtest du lieber allein sein, wenn du den Brief von Henri liest.“ Lindas sanfte Stimme durchbrach die lähmende Stille am Tisch, und Alexander fuhr leicht zusammen, als hätte sie ihn aus einem Tagtraum geweckt.
„Ja, vielleicht. Ich weiß nicht“, brachte er unsicher hervor. Eigentlich war es ihm egal, also überließ er den anderen die Entscheidung.
„Ich bleibe bei dir, Alex“, flüsterte Linda.
Claudine erhob sich. „Linda, ich weiß, dass du jetzt gerne bei deinem Mann bleiben würdest, aber vertrau mir einfach, wenn ich dich jetzt darum bitte, mich ins Wohnzimmer zu begleiten“, sagte sie mit ihrer noch immer brüchigen Stimme. „Lassen wir die Männer einen Moment allein. Bleib bei ihm, Tobias“, fügte sie mit einem seltsam bittenden Blick hinzu.
Tobias nickte der älteren Frau wortlos zu. Da er es aber für besser hielt, Alexander zumindest eine gewisse Privatsphäre zuzugestehen, erhob auch er sich und wandte seinem Freund den Rücken zu, um aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit zu sehen.
Sichtlich ratlos blickte Linda zwischen Alexander und Claudine hin und her.
Claudine nickte ihr aufmunternd zu. „Wir können drüben miteinander reden, Linda.“
Alexander hob seinen Kopf und sah Linda an, dann nickte auch er. „Es ist schon in Ordnung, Liebling.“ Instinktiv wusste er, dass Claudine gute Gründe haben musste, wenn sie es für besser hielt, dass Linda nicht dabei war, wenn er den Umschlag öffnete.
„Wenn du mich brauchen solltest …“
„Du bist ja gleich nebenan. Sobald ich mir das angesehen habe, komme ich zu dir, versprochen.“ Er neigte sich zu ihr und küsste sie sanft auf die Lippen.
Immer noch etwas widerstrebend, verließ Linda nun zusammen mit ihrer Schwiegermutter die Küche.
Kaum dass sie allein waren, atmete Alexander tief ein. Mit einer entschlossenen, schnellen Bewegung öffnete er den großen Umschlag und schüttelte die beiden kleineren Briefe heraus, die seine Mutter ihm bereits angekündigt hatte.
Der größere Umschlag war hellblau, länglich und sah recht offiziell aus, weil er mit einem purpurfarbenen Siegel verschlossen war. Diesen Brief öffnete Alexander zuerst.
Wie erwartet, handelte es sich um die beglaubigte Abschrift des gemeinsam unterzeichneten Testaments von Adrienne und Henri Hellberg. Tatsächlich hatten sie darin verfügt, dass ihre Kinder bei ihm in Hamburg aufwachsen sollten, falls sie beide nicht mehr in der Lage dazu wären, ihre Kinder selbst großzuziehen. Alexander überflog das amtlich klingende Dokument und nickte gerührt.
„Setz dich, Tobias, du machst mich sonst noch nervöser, als ich ohnehin schon bin“, sagte er, nachdem er sich gründlich geräuspert hatte. Er griff nach seiner Zigarettenpackung und zog eine heraus. Tobias tat es ihm nach.
„Soll ich nicht doch lieber gehen, bevor du …“
„Quatsch! Wenn ich tatsächlich anfangen sollte zu heulen, ist es für dich genauso unangenehm wie für mich. Vergiss es hinterher einfach, okay?“
„Kein Thema.“ Tobias steckte seine Zigarette an und reichte Alexander das Feuerzeug.
Alexander nahm zwei tiefe Züge von seiner Zigarette, bevor er den anderen, kleineren Umschlag aufriss und mehrere Bögen daraus hervorzog. Das feste sonnengelbe Briefpapier war ihm durchaus vertraut. Adrienne hatte es stets für ihre regelmäßige Korrespondenz verwendet. Sie hatte Computer ebenso wenig gemocht wie er. Mit zitternden Fingern faltete er den Stapel auseinander und starrte sekundenlang auf die große ausladende Handschrift seines Bruders, bevor er richtig zu lesen
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