Eine Spur von Lavendel (German Edition)
unterdes nach seinen Zigaretten. Seine Hände zitterten so stark, dass er einige Mühe hatte, sich selbst Feuer zu geben. Endlich gelang es ihm, und er zog gierig und tief den Rauch in seine Lungen. „Und? Liest du nun für mich weiter?“, fragte er rau.
„Vielleicht sollten wir uns vorher einen ordentlichen Schnaps genehmigen, Alex. Das macht es für uns beide leichter.“
Alexander nickte und deutete auf den Kühlschrank. „Sieh dort nach.“
Tobias öffnete das Tiefkühlfach und zog eine volle geeiste Flasche Anisschnaps heraus. Im Küchenschrank fand er passende Gläser und brachte alles zusammen mit an den Tisch. Da das starke Zittern von Alexanders Händen noch immer anhielt, übernahm er auch gleich das Einschenken und schob seinem Freund das gut gefüllte Glas hin.
„Prost.“ Tobias setzte an und trank in einem Zug sein Glas leer.
„Danke, Kroning.“ Alexander stürzte den hochprozentigen Inhalt des kleinen Glases hinunter. „Sei ein echter Kumpel und gib mir noch einen.“
Sie tranken beide noch zwei weitere Schnäpse und warteten eine Weile wortlos die Wirkung ab, bevor Tobias wieder nach den beschriebenen Blättern griff.
„Bist du bereit?“
„Leg los, aber zügig, bitte. Und guck mich um Gottes willen nicht so mitleidig an, Kroning.“
„Also … – der einzige Mensch, der davon wusste, war unsere Mutter.
Ich verschwieg Adrienne nach Richards Geburt, dass nur Du allein als Vater infrage kommen konntest. Mutter bat ich darum, ihr Wissen für sich zu behalten.
Adrienne und ich einigten uns darauf, Dir zu schreiben, dass unser Sohn einen guten Monat zu früh auf die Welt gekommen ist. Sie hatte mir erzählt, dass Ihr immer verhütet hattet, somit konntest Du gar nicht erst auf die Idee kommen, Richards Vater zu sein.
Mein schlechtes Gewissen brachte mich von nun an langsam, aber sicher um, Alexander. Jetzt hatte ich mich nicht nur Dir gegenüber gleich zweimal versündigt, nein, ich betrog auch Reny aufs Grausamste, denn sie war damals noch aus tiefster Seele davon überzeugt, dass ich tatsächlich Richards Vater sei. Denn nur sie und ich hatten in der Zeit, die infrage kam, ein- oder zweimal ohne Kondom miteinander geschlafen. Alles änderte sich gut zwei Jahre später, nachdem Du uns endlich zum ersten Mal wieder besuchtest. Ich war so glücklich darüber, Dich zu sehen, wieder mit Dir reden zu können, Alex, denn ich hatte Dich schmerzlich vermisst. Einige Wochen nach Deiner Abreise teilte Adrienne mir voller Freude mit, dass sie wieder ein Kind erwartete. Du kannst Dir sicherlich vorstellen, was daraufhin in mir vorging. Ich wusste ja, dass sie von mir nicht schwanger sein konnte – und Deine Anwesenheit, mein Bruder, lag weniger als zwei Monate zurück. Die Wut über Euren offensichtlichen Betrug, der Schmerz und die blinde Eifersucht, der ich mich sowieso ständig ausgesetzt sah, ließen mich unvorsichtig werden. Statt diesen Vorfall als meine gerechte Strafe anzunehmen, knallte ich ihr die Tatsachen vor den Kopf, schrie ihr schonungslos die ganze Wahrheit direkt ins Gesicht. Ich wollte sie verletzen, wie sie mich verletzt hatte. Für Reny war es grausam, sich der Wahrheit stellen zu müssen. Sie hatte Deinen Jungen zur Welt gebracht, Alex, und nicht meinen! Und sie wusste, dass sie wieder ein Kind von Dir unter ihrem Herzen trug.“
Als Alexander aufschluchzte, hielt Tobias einen Moment inne und hob seinen Kopf.
Alexanders zitternde Hände schienen miteinander zu ringen, er starrte auf die Tischplatte. Tobias’ Lesepause veranlasste ihn dazu, den Kopf zu drehen.
Der jüngere Mann erschrak ein wenig über den Ausdruck in den Augen seines Freundes. Er hatte schon Mördern direkt in die Augen geblickt, und auch Menschen, denen man gewaltsam einen geliebten Angehörigen genommen hatte. Aber der Schmerz, der ihm jetzt aus Alexanders Blick begegnete, war offenkundig, umfassend und erkennbar grenzenlos. Diese Augen schienen regelrecht unter der seelischen Qual zu brennen.
„Weiter!“, flüsterte Alexander nachdrücklich. „Weiter, Kroning.“
Tobias nickte und senkte seinen Blick wieder zurück auf den Brief, um fortzufahren.
„Wir hatten damals eine sehr schwere Zeit miteinander, Reny und ich, doch dann siegte schließlich doch wieder die Liebe, die wir füreinander empfanden. Letztlich war es dann sogar ihre Idee, mit dem zweiten Kind ebenso zu verfahren, wie wir es schon bei Richard getan hatten. Sie bat mich inständig, auch dieses Kind als mein eigenes
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