Eine Spur von Lavendel (German Edition)
gleich.“
Adrienne verschwand mit einem Lächeln auf den Lippen.
Während des Essens berichtete Henri stolz von der guten Weinernte, die ihnen in diesem Jahr offenbar bevorstand. „Es ist wirklich schade, Alex, dass du nicht bis zur Lese hierbleiben kannst. Der Wein wird dieses Jahr hervorragend werden.“
„Du hast doch aber hoffentlich genug Leute, oder?“, fragte Alexander.
„Ja, natürlich“, winkte Henri ab. „Es gibt immer genug Saisonarbeiter, die nur darauf warten, dass endlich wieder die Zeit der Lese beginnt.“
Alexander setzte sein Glas an die Lippen. „Dieser hier ist aber auch nicht zu verachten. Er passt hervorragend zu Claudines fantastischer Poularde.“ Sein Blick glitt zu seiner Mutter. „Du verwöhnst uns, wie immer, ma belle .“ Lächelnd prostete er Claudine zu, die ihn aus ihren blitzenden schiefergrauen Augen anstrahlte.
„Oh, ich danke dir, Alexander. Du bist und bleibst der größte Charmeur, dem ich je begegnet bin – nun, vielleicht mit Ausnahme deines Vaters“, schränkte sie mit einem schelmischen Lachen ein. „Ach, da fällt mir ein, was macht eigentlich dein Liebesleben?“
Früher oder später musste sie ja diese Frage stellen, dachte er etwas ärgerlich, lächelte aber tapfer weiter.
„Ja, das interessiert uns doch immer sehr, nicht wahr, Reny?“ Um Henris Mund spielte ein süffisantes Grinsen.
Henri wusste natürlich, dass sein Bruder bereits seit Tagen diese Frage befürchtet hatte, aber er konnte nicht wissen, dass er Adrienne und Alexander jetzt für einen kurzen Moment aus dem Gleichgewicht brachte. Alexander spürte den Blick seiner Schwägerin und vermied es ganz bewusst, sie anzusehen. Er räusperte sich, um die eigene Anspannung zu lösen.
„Nun, dir ist ja bekannt, Claudine, dass ich dieses Mal eigentlichin Begleitung einer Frau hier erscheinen wollte. Warum fragst du also?“
Das Lächeln seiner Mutter war äußerst milde. „Ganz einfach, weil du nun doch nicht in Begleitung gekommen bist. Außerdem hast du noch niemals zuvor angekündigt, jemanden mitbringen zu wollen, das hat mich neugierig gemacht. Also, was ist mit dieser Frau? Ist es etwas Ernstes, Alexander?“
Wie so häufig, wenn er direkt in die Augen seiner Mutter sah, beschlich ihn das unangenehme Gefühl, in einen Spiegel zu sehen, der ihm mehr zeigte, als er selbst wissen wollte. Schon als Kinder waren sich Henri und er absolut sicher gewesen, dass ihre Mutter mit diesem eigenartig hypnotischen Blick alles sehen konnte, was sie eigentlich vor ihr zu verbergen versuchten. Claudine Hellberg konnte man nichts vormachen. Sie schaute jedem Menschen bis in die Seele, besonders aber ihren Söhnen.
Noch ein zweites Mal räusperte er sich. „Ich habe eine Frau kennengelernt, die mich sehr fasziniert. Wirst du dich mit dieser Information erst einmal zufriedengeben, Claudine?“
Ihr Lächeln wurde wieder breiter. „Nein, ganz und gar nicht, mein Junge. Erzähl schon, wer und wie ist sie?“
Henri schenkte grinsend ein weiteres Glas Wein ein und klopfte ihm dann aufmunternd auf die Schulter. „Komm schon, Mann! Lass unsere arme Mami nicht am langen Arm verhungern. Wenn du wieder weg bist, muss ich es ausbaden.“
Henris Bemerkung brachte ihm einen tadelnden Blick seiner Mutter ein. Doch dann ruhten ihre Augen sogleich wieder erwartungsvoll auf ihrem älteren Sohn.
Alexander setzte sein Glas an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck von dem leichten, spritzigen Weißwein, den sein Bruder heute Abend aufgetischt hatte. „Erinnert ihr euch noch an Frank Michaelsen?“
„Na klar!“, rief Henri aus und nickte. „Dein alter Bullenkumpel aus der Anfangszeit.“
Adrienne blickte nur interessiert auf, aber Claudine nickte ebenfalls. „Natürlich erinnere ich mich an Frank. Der Junge war wirklich umwerfend attraktiv, hatte was vom jungen RobertRedford. Aber was hat er mit dieser Frau zu tun?“
„Vor einigen Monaten wurde er ermordet. Linda ist seine Witwe. Wir lernten uns nach Franks Beerdigung kennen.“ Knapper konnte man es wohl kaum formulieren. Einige Sekunden blieb es vollkommen still im Raum.
„Nicht gerade die romantischste Art des Kennenlernens, oder?“, frotzelte Henri.
„Jemand hat Frank umgebracht? Das ist ja schrecklich, Alexander!“ Claudine griff nach seiner Hand und drückte sie fest. „Also, sie ist … seine Witwe – das muss alles sehr schlimm für dich gewesen sein, chéri .“
Wieder einmal wunderte er sich darüber, wie schnell und sicher seine
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