Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Mutter die wichtigsten Zusammenhänge erfassen konnte. Sie wäre sicherlich eine fantastische Kriminalistin geworden. „Es war nicht einfach, das stimmt. Um bei der Wahrheit zu bleiben, ist es das auch heute noch nicht. Linda und ich, wir knüpfen verschiedene … Erwartungen an unsere Beziehung. Außerdem haben wir beide unsere Vorgeschichte, das macht es auch nicht unbedingt einfacher für uns.“ Sein Blick glitt automatisch zu Adrienne. Ihre Lider senkten sich, und sie griff ebenfalls nach ihrem Glas, wahrscheinlich, um ihre Hände zu beschäftigen.
„Seid ihr denn nun … zusammen?“, hörte er Henri fragen.
Alexanders Blick wanderte von Adrienne langsam zu seinem Bruder. „Ich denke, schon.“
Henris Stirn legte sich in Falten. „Du denkst, schon?“, wiederholte er verständnislos.
„Lass deinen Bruder jetzt in Frieden“, unterbrach Claudine zu Alexanders großem Erstaunen den kurzen Dialog. „Du hast gehört, was er gesagt hat.“ Ein weiteres Mal streichelte sie über Alexanders Handrücken. Der Blick, mit dem sie ihn betrachtete, war voller Wärme und Verständnis. „Sobald es mehr zu sagen gibt, wirst du es sicher tun, nicht wahr, Alex?“
Er legte seine andere Hand über die seiner Mutter und lächelte sie voller Dankbarkeit an. „Ja, das werde ich. Versprochen.“Den folgenden Tag verbrachte Alexander sehr zurückgezogen. Seine Familie respektierte sein Verhalten stillschweigend und ließ ihn in Ruhe. Fast den gesamten Vormittag verbrachte er im Bett. Erst gegen halb zwölf duschte er und zog sich an. Nach einem schnellen Frühstück, das nur aus einer riesigen Tasse Milchkaffee und zwei trockenen Croissants bestand, schenkte er sich eine zweite Tasse ein und nahm sie mit auf die Veranda. Dort ließ er sich in einen der Liegestühle fallen und machte das, was er seit Stunden, ja eigentlich seit Tagen schon ununterbrochen tat: Er dachte nach – und seine Gedanken drehten sich fast ausschließlich um Linda. Während er seinen Kaffee trank, fragte er sich zum wiederholten Male, was er hier eigentlich verloren hatte, wenn er doch viel lieber bei ihr sein wollte. Und er fragte sich auch, ob er sie endlich anrufen sollte, um ihr zu sagen, wie sehr er sie vermisste, verwarf diesen Gedanken jedoch gleich wieder, weil er ihm zu kindisch erschien.
Später am Nachmittag, nach einem langen einsamen Spaziergang, traf er auf seinen Bruder, der in einer kleinen Scheune nicht weit vom Haus entfernt an einem alten Traktor herumbastelte. Als Henri ihn erblickte, wischte er sich mit dem Ärmel seines Arbeitshemds den Schweiß von der Stirn und lächelte ihm entgegen. „Na, du einsamer Wolf.“
„Hallo, Henri.“ Alexander ließ sich auf einem alten wackeligen Hocker nieder und kaute auf einem Strohhalm herum, den er träge im Mund hin und her schob. „Hast du eine Zigarette für mich?“, fragte er hoffnungsvoll. „Ich habe meine vorhin auf der Veranda liegen lassen.“
Henri griff in die Brusttasche seines Hemds und holte eine Packung Zigaretten und ein kleines silbernes Feuerzeug hervor. Beides warf er Alexander zu. Wortlos zog er sich schließlich eine leere Holzkiste heran und setzte sich seinem Bruder direkt gegenüber. Dann wartete er still und geduldig ab, bis Alexander sich eine Zigarette angezündet hatte, und tat es ihm anschließend gleich.
„Mann, tut das gut“, seufzte Alexander auf und ließ sich mitsamt dem kleinen Hocker zurück gegen einen dickenHolzpfeiler kippen. Eine Weile rauchten sie schweigend.
„Elendes Laster“, bemerkte Henri nach einem kräftigen Zug und grinste. „Es tut mir übrigens ungeheuer gut, mal wieder mit einem erwachsenen Menschen deutsch sprechen zu können, Alex. Mutter und Reny sprechen nämlich fast nur noch französisch mit mir.“
Alexander spuckte einen Krümel Tabak aus. Sein Bruder rauchte starke filterlose Zigaretten, und die war er nicht gewohnt. „Es ist eben ihre gemeinsame Muttersprache.“
Henri schnaubte verächtlich. „Ich finde, sie übertreiben es ein bisschen, Alex. Adrienne ist doch praktisch in Deutschland aufgewachsen, und Mutter hat schließlich auch lange genug dort gelebt. Obwohl ich mit den Kindern deutsch spreche, bin ich immer froh, wenn wir mal Feriengäste aus Deutschland haben.“
„Aber du bist doch nach wie vor zufrieden damit, hier zu leben, oder?“
Henri drückte seine Zigarette in einer alten kleinen Konservendose aus und reichte diese anschließend seinem Bruder. Er nickte. „Klar, ich meine, auf die Pension
Weitere Kostenlose Bücher