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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gewiß niemals so gemeint, daß er mit ihm machen kann, was er will.«
    »Natürlich nicht«, bestätigte Rathbone. Die Anstrengung, mit der er sich zusammennahm, war ihm deutlich anzuhören.
    »Nichtsdestotrotz hat eine Frau rein rechtlich nicht den geringsten Anspruch auf ihr Kind. Sie verfügt über keinerlei Mittel, und sie darf ihren Mann nicht gegen seinen Willen verlassen. Schon gar nicht mit einem Kind.«
    »Was bleibt ihr also anderes übrig, als ihn zu töten?« Monk war weiß wie die Wand. »Wie können wir ein Gesetz tolerieren, das jede Gerechtigkeit unterbindet? Und diese Ungerechtigkeit schreit zum Himmel.«
    »Indem wir es ändern, nicht indem wir es brechen«, erwiderte Rathbone.
    Monk fluchte kurz und gewaltig.
    »Ganz Ihrer Meinung«, sagte Rathbone mit einem gepreßten Lächeln. »Können wir uns jetzt wieder den praktischen Dingen zuwenden?«
    Monk und Hester starrten ihn wortlos an.
    »Wir können bestenfalls auf Totschlag plädieren, und das wird außerordentlich schwer zu beweisen sein. Aber wenn es uns gelingt, liegt das Strafmaß größtenteils im Ermessen des Richters. Es kann so gering ausfallen wie ein paar Monate oder so hoch wie zehn Jahre.«
    Die beiden entspannten sich ein wenig. Hester lächelte freudlos.
    »Doch zunächst müssen wir den Nachweis erbringen«, fuhr Rathbone fort. »Und das wird nicht einfach werden. General Carlyon ist ein Idol. Die Leute mögen es ganz und gar nicht, wenn man ihre Idole anschwärzt, geschweige denn stürzt.« Er lehnte sich etwas zurück und schob die Hände in die Westentaschen. »Und das ist seit dem Krieg viel zu oft passiert. Wir tendieren dazu, Menschen in Gut und Böse einzuteilen; es ist sowohl vom Verstand wie auch vom Gefühl her – vom Gefühl ganz besonders – sehr viel bequemer, sie in entweder die eine oder andere Schublade zu stecken. Schwarz oder weiß. Daß jemand mit großen, von uns bewunderten Qualitäten auch seine häßlichen und zutiefst abstoßenden Seiten haben kann, zwingt uns zu einem schmerzhaften Umdenkungsprozeß.«
    Sein Blick galt weder Hester noch Monk, sondern der gegenüberliegenden Wand. »Dann muß man nämlich lernen zu verstehen, was schwierig ist und unter Umständen weh tut; es sei denn, man macht eine Kehrtwendung um hundertachtzig Grad und läßt seine Bewunderung in Haß umschlagen – was zwar ebenfalls schmerzhaft ist und außerdem falsch, aber doch erheblich leichter. Der Schmerz über die Desillusionierung verkehrt sich in Zorn, weil man bitter enttäuscht wurde. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, überwiegt alles andere.«
    Sein empfindsamer Mund verzog sich in seltsam mitfühlender Bitterkeit.
    »Desillusionierung läßt sich von allen menschlichen Regungen am schwersten mit Würde und Anstand tragen. Wir würden vermutlich nicht viele finden, die dazu imstande sind. Etwas solchermaßen Beunruhigendes zu glauben fällt den meisten ziemlich schwer. Und unsere sichere und bequeme Welt ist in letzter Zeit schon durch viel zuviel Unruhe erschüttert worden – erst der Krieg, die Gerüchte über Inkompetenz und sinnloses Blutvergießen, und jetzt die Kunde von einem drohenden Aufstand in Indien. Weiß Gott, zu welcher Katastrophe sich das noch entwickeln wird.«
    Er ließ sich etwas tiefer sinken. »Wir brauchen unsere Helden. Wir wollen nicht, daß sie sich als schwach und verdorben erweisen, Laster praktizieren, die man kaum beim Namen zu nennen wagt – vor allem, wenn sie sich an ihren eigenen Kindern austoben.«
    »Ich schere mich einen Dreck darum, ob es den Leuten gefällt oder nicht«, explodierte Monk. »Es ist wahr. Wir müssen sie zwingen, sich damit auseinanderzusetzen. Oder meinen Sie, sie möchten vielleicht lieber eine Unschuldige hängen sehen, als sich einer abscheulichen Wahrheit zu stellen?«
    »Manche von ihnen bestimmt.« Rathbone betrachtete ihn mit einem vagen Lächeln. »Ich habe allerdings nicht die Absicht, ihnen diesen Luxus zuzugestehen.«
    »Wenn das stimmt, besteht für unsere Gesellschaft nicht mehr viel Hoffnung«, sagte Hester beschämt. »Wenn wir ganz unbeschwert die Augen vor dem Bösen verschließen, nur weil es häßlich ist und uns Unannehmlichkeiten bereitet, unterstützen wir es und machen uns dadurch mitschuldig an seinem Fortbestehen. Dann trennt uns nicht mehr viel von denen, die die Scheußlichkeiten ausführen – weil wir ihnen durch unser Schweigen unsere Billigung demonstrieren.«
    Rathbone warf ihr einen warmen, leuchtenden Blick zu.
    »Also müssen

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