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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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von anderen Männern sexuell mißbraucht worden ist, beweist das noch lange nicht, daß sein Vater es ebenfalls tat und daß Alexandra darüber im Bilde war, oder?«
    »Sie besorgen das Beweismaterial«, erwiderte Rathbone.
    »Soviel Sie auftreiben können, ob Sie es für relevant halten oder nicht. Wie wir es dann einsetzen, entscheide ich.«
    Monks Stuhl rutschte mit einem lauten Knarren über den Boden, als er unvermittelt aufsprang, angespannt wie eine Feder.
    »Gut. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Sie ist weiß Gott schon knapp genug.«
    »Und ich versuche inzwischen, Alexandra Carlyon die Erlaubnis abzuringen, daß wir die Wahrheit benutzen dürfen«, sagte Rathbone mit einem harten Lächeln. »Ohne ihre Zustimmung sind uns die Hände gebunden.«
    »Oliver!« Hester war entgeistert.
    Er wandte sich zu ihr um und berührte ganz leicht ihren Arm.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, meine Liebe. Sie haben Großartiges geleistet. Sie haben die Wahrheit ans Licht gebracht. Überlassen Sie den Rest mir.«
    Sie begegnete seinem leuchtenden, dunklen Blick und zwang sich mit einem tiefen Atemzug, sich ein wenig zu entspannen.
    »Sie haben recht. Tut mir leid. Gehen Sie zu Alexandra, ich werde zu Callandra gehen und ihr alles erzählen. Sie wird genauso angewidert sein wie wir.«
    Alexandra drehte sich um. Sie hatte zu dem kleinen, viereckigen Fensterausschnitt in der Zellenwand emporgestarrt und war sichtlich überrascht, Rathbone zu sehen.
    Die Tür fiel mit dem hohlen Klang von aneinanderschlagendem Metall ins Schloß. Sie waren allein.
    »Sie vergeuden Ihre Zeit, Mr. Rathbone«, erklärte sie mit rauher Stimme. »Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«
    »Das ist auch nicht nötig, Mrs. Carlyon«, erwiderte er sanft.
    »Ich weiß jetzt, weshalb Sie Ihren Mann ermordet haben. Und glauben Sie mir – vermutlich hätte ich an Ihrer Stelle dasselbe getan.«
    Sie stierte ihn verständnislos an.
    »Sie haben es getan, um Ihrem Sohn weiteren widernatürlichen Mißbrauch zu ersparen.«
    Auch das letzte bißchen Farbe, das ihr noch verblieben war, wich aus ihrem Gesicht. In der schummrigen Beleuchtung wirkten ihre Augen wie zwei riesige, dunkle Höhlen.
    »Aber Sie – woher…« Sie ließ sich kraftlos auf die Pritsche sinken. »Das dürfen Sie nicht tun. Bitte…«
    Er setzte sich auf das Fußende und sah ihr voll ins Gesicht.
    »Meine Liebe, ich verstehe sehr gut, daß Sie lieber zum Galgen gehen wollen, als Ihren Sohn dem allgemeinen Wissen um seine Pein auszusetzen. Ich habe Ihnen allerdings eine grauenhafte Mitteilung zu machen, die Ihre Meinung vermutlich ändern wird.«
    Sie hob wie in Zeitlupe den Kopf und schaute ihn an.
    »Ihr Mann war nicht der einzige, der ihn auf diese Weise benutzt hat.«
    Ihr stockte so nachhaltig der Atem, daß er fürchtete, sie würde jeden Moment in Ohnmacht fallen.
    »Sie müssen kämpfen«, sagte er behutsam, doch unglaublich eindringlich. »Sein Großvater ist höchstwahrscheinlich ein weiterer Kandidat – und es gibt mindestens noch einen dritten, wenn nicht gar mehr. Nehmen Sie Ihren ganzen Mut zusammen und sagen Sie die Wahrheit! Wir müssen diese Männer vernichten, damit sie weder Cassian noch irgendeinem anderen Kind jemals wieder solches Leid zufügen können.«
    Immer noch nach Atem ringend, schüttelte sie den Kopf.
    »Sie müssen!« Er packte ihre Hände. Anfangs waren sie schlaff, doch dann schlossen sie sich allmählich um seine, bis sie sich schließlich daran festklammerte wie eine Ertrinkende.
    »Sie haben keine Wahl! Andernfalls wird Cassian seinen Großeltern zugesprochen und das Grauen geht weiter. Dann haben Sie Ihren Mann umsonst getötet. Und kommen an den Galgen – für nichts und wieder nichts.«
    »Ich kann nicht.« Sie brachte die Worte kaum über die Lippen.
    »Doch, Sie können! Sie sind nicht allein. Es gibt Menschen, die Ihnen beistehen werden, Menschen, die genauso entsetzt und angewidert sind wie Sie, die die Wahrheit kennen und uns helfen werden, sie zu beweisen. Um des Seelenheils Ihres Sohnes willen geben Sie jetzt nicht auf! Sagen Sie die Wahrheit, und ich werde dafür sorgen, daß man Ihnen glaubt – und Sie versteht.«
    »Können Sie das denn?«
    Er holte tief Luft und begegnete ihrem Blick.
    »Ja – ich kann es.«
    Sie starrte ihn ausdruckslos an, zu erschöpft, um noch etwas zu empfinden.
    »Ich kann es«, wiederholte er.

9
    Alexandra Carlyons Gerichtsverfahren begann am zweiundzwanzigsten Juni, einem Montagmorgen. Major Tiplady hatte den

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