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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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am Portland Place machte einen abweisenden und bedrohlichen Eindruck. Als Zugeständnis an die Trauer waren die Rouleaus heruntergelassen, an der Tür hing ein schwarzer Kranz. Solange er denken konnte, war dies das erste Mal, daß er sich an einem Dienstboteneingang einstellte, als wolle er Haushaltswaren an den Mann bringen oder einen Verwandten besuchen, der zum Personal gehörte.
    Ein etwa zwölfjähriger Stiefelbursche mit rundem Gesicht, Stupsnase und argwöhnischem Blick machte ihm auf.
    »Ja, Sir?« fragte er mißtrauisch. Wahrscheinlich hatte der Butler ihn instruiert, neugierige Fremde mit Skepsis zu behandeln, insbesondere wenn sie von der Presse sein könnten. Wäre er selbst Butler gewesen, hätte er jedenfalls etwas in der Richtung geäußert.
    »Was woll’n Se denn?« fügte der Junge unwirsch hinzu, als Monk ihm keine Antwort gab.
    »Mit dem Butler sprechen, falls er zur Verfügung steht. Ansonsten mit der Haushälterin«, erwiderte Monk. Er hoffte inständig, daß Alexandra eine rücksichtsvolle Dienstherrin gewesen war. Was er jetzt brauchte, war ein treu ergebenes Personal, das jemandem, der sich für Mrs. Carlyons Belange einsetzte, nach bestem Wissen und Gewissen helfen würde.
    Hoffentlich besaßen sie genügend Menschenkenntnis, um seine lauteren Absichten zu erkennen.
    »Für was’n?« Der Junge ließ sich nicht so leicht hinters Licht führen. Er musterte Monk von oben bis unten, registrierte die Qualität seines Anzugs, das weiße Hemd mit dem gestärkten Kragen, die makellosen Stiefel. »Wer sind Se’n überhaupt, Mister?«
    »William Monk. Ich komme im Auftrag von Mrs. Carlyons Strafverteidiger.«
    Der Bursche blickte finster drein. »Was soll’n das sein – ’n Strafverteidiger?«
    »Ein Anwalt, der sie vor Gericht vertritt.«
    »Ach so. Dann komm’n Se wohl besser mal rein. Ich hol’ Mr. Hagger.« Er machte die Tür ein Stückchen weiter auf und gestattete Monk, in den hintersten Teil der Küche zu treten. Dort ließ er ihn stehen und machte sich auf die Suche nach dem Butler. Ihm oblag nun, da beide Herrschaften nicht mehr da waren, die Verantwortung für das Haus, bis Alexandra entweder freigesprochen wurde oder die Erbschaftsverwalter über die künftige Verwendung entschieden hatten.
    Monk schaute sich um. Durch einen offenstehenden Eingang konnte er in die Waschküche sehen. Er erspähte einen Waschzuber samt hölzernem Wäschestampfer zum Umrühren, Hochheben und Wenden der Kleidungsstücke, eine Mangel zum Herauspressen des Wassers und ein langes Regal, auf dem sich Gefäße mit diversen Substanzen für die Reinigung der unterschiedlichsten Stoffe aneinanderreihten: gekochte Kleie, mit der man unter Zuhilfenahme eines Schwammes Chintz säuberte; saubere Schnitzel von Pferdehufen für Wollenes; Terpentin, geriebene Schafshufe und Kreide, um Fett und Ölflecken zu entfernen; Zitronen oder Zwiebelsaft für Tintenspritzer; warme Kuhmilch für Wein oder Essigflecken; altes, trockenes Brot für goldene, silberfarbige oder seidene Stoffe und natürlich Seife.
    Ferner entdeckte er noch mehrere Tiegel mit Bleichmitteln sowie eine monströse, mit Borax gefüllte Wanne zum Stärken. Ein Messer und ein Brett dienten zum Schneiden von alten Kartoffeln, mit deren Saft man die Wäschestücke tränkte, die nur leicht gestärkt werden sollten.
    Mit all diesen Dingen war er aufgrund vager Erinnerungen, durch eigenen Gebrauch und anhand der Eindrücke aus jüngeren Ermittlungen vertraut, die ihn in Küchen wie Waschküchen geführt hatten. Anscheinend war dies ein gut organisierter Haushalt, in dem genausoviel Sorgfalt aufs Detail verwendet wurde, wie man es von einem tüchtigen Personal erwartete.
    Er hatte plötzlich die deutliche Vision seiner Mutter, in der Hand den kostbaren Schatz eines aus Fett und Holzasche selbstgemachten Stücks Seife. Wie alle weniger betuchten Frauen benutzte sie für die Wäsche eine Lauge, für deren Herstellung man die in Herden und Feuerstellen anfallende Holzasche mit Wasser übergoß. Manchmal wurden auch Urin, Hühnermist oder Kleie hinzugefügt, um den Reinigungseffekt zu erhöhen. 1853 war die Seifensteuer endlich aufgehoben worden, doch zu diesem Zeitpunkt hatte er längst nicht mehr zu Hause gewohnt. Unter all diesem Überfluß hier wäre seine Mutter vermutlich schier zusammengebrochen.
    Er richtete sein Augenmerk auf die Küche, sah aber nicht mehr als berstende Regale voll Rosenkohl, Spargel und Weißkohl sowie Unmengen im Herbst eingelagerter

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