Eine Spur von Verrat
nervös die Hände. »Besteht irgendeine Hoffnung, Sir, daß…«
»Ich weiß es nicht.« Monk machte ihm nichts vor. »Was ich unbedingt herausfinden muß, Mr. Hagger, ist der Grund, warum Mrs. Carlyon ihrem Mann den Tod gewünscht hat.«
»Großer Gott, da fällt mir beim besten Willen keiner ein! Können Sie denn nicht – ich meine, sie muß doch nicht…«
»Nein.« Monk erstickte jeden Hoffnungsschimmer im Keim.
»Ich fürchte, sie war es; daran besteht kein Zweifel mehr.« Hagger machte ein langes Gesicht. »Ach so. Ich hatte gehofft na ja… vielleicht hat jemand anders… und sie hält den Kopf für denjenigen hin.«
»Ist sie die Sorte Mensch, die so etwas tun würde?«
»Ja, Sir, ich denke schon. Sie war sehr mutig, hat sich mit jedem angelegt, wenn es um ihre…«
»Miss Sabella?«
»Ja, Sir – aber…« Hagger steckte in einem scheußlichen Dilemma. Sein Gesicht war hochrot, sein Körper verkrampft.
»Seien Sie unbesorgt«, beruhigte ihn Monk. »Miss Sabella trifft keine Schuld, soviel steht fest.«
Hagger entspannte sich ein wenig. »Ich weiß wirklich nicht, was man noch für sie tun könnte«, sagte er, am Boden zerstört.
»Es gibt keinen Grund für eine anständige Frau, ihren Mann zu ermorden – es sei denn, er hat ihr Leben bedroht.«
»Hat der General sie jemals geschlagen?«
Hagger war schockiert. »Aber nein, Sir! Gewiß nicht.«
»Wüßten Sie es, wenn doch?«
»Ich glaube schon, Sir. Aber Sie können Ginny fragen, Mrs. Carlyons Zofe. Sie wüßte es bestimmt.«
»Das habe ich vor, Mr. Hagger. Würden Sie mir erlauben, zu ihr nach oben zu gehen?«
»Ich werde sie holen lassen.«
»Nein – ich würde lieber in ihrer gewohnten Umgebung mit ihr sprechen, wenn Sie nichts dagegen haben. Macht sie weniger nervös, verstehen Sie?« Genaugenommen war das nicht der Grund. Monk wollte einen Blick ins Alexandras Schlafzimmer werfen und, wenn möglich, auch auf ihr Ankleidezimmer und einen Teil ihrer Garderobe. Das würde ihm einen konkreteren Eindruck von dieser Frau vermitteln. Bislang hatte er sie lediglich in dunklem Rock und schlichter Bluse gesehen, was ihrer normalen Aufmachung vermutlich in keiner Weise entsprach.
»Ja, da haben Sie wohl recht«, stimmte Hagger ihm zu.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir.« Damit ging er durch die inzwischen verblüffend betriebsame Küche voran, wo die Köchin die Vorbereitungen für ein umfangreiches Dinner überwachte. Die Küchenmagd hatte das Gemüse offenbar schon geputzt und trug gerade einen Berg schmutziges Geschirr zum Ausguß, damit die Spülmagd sich sogleich darüber hermachen konnte. Die Köchin selbst hackte Unmengen Fleisch für eine Pastete; der ausgerollte Teig wartete bereits.
Eine Packung Purcels Fertiggelatine, die es erst seit der großen Exhibition von 1851 gab, lag in friedlicher Eintracht mit Apfelkuchen, Sahne und Quark zur Verwendung für das Dessert bereit. Die Mahlzeit schien für mindestens ein Dutzend hungrige Mäuler gedacht.
Dann rief Monk sich in Erinnerung, daß auch bei Anwesenheit sämtlicher Hausbewohner, die ohnehin überwiegend aus Personal bestanden, nur drei Personen mehr zum Haushalt zählten. Es mußten mindestens zwölf Dienstboten sein, die oben und unten, drinnen und draußen, ungeachtet des Todes des Generals oder der Verhaftung von Mrs. Carlyon – zumindest vorläufig – ihren Pflichten nachgingen.
Ihr Weg führte sie zunächst an der Vorratskammer vorbei, wo ein Lakai mit Hilfe von indischem Kautschuk, einem Ochsenleder und einer rotgrünen Dose Wellingtons Messerglanz Messer polierte. Es folgten das Wohnzimmer der Haushälterin und das des Butlers, beide verschlossen, dann betraten sie durch die mit grünem Fries bespannte Tür das Haupthaus. Der Großteil der Säuberungsarbeiten wurde sonst selbstverständlich erledigt, ehe die Familie sich morgens zum Frühstück erhob, doch das war zur Zeit kaum nötig; so blieben die Mädchen eine Stunde länger im Bett und waren in diesem Moment emsig dabei zu fegen, Teppiche zu klopfen, die Fußböden mit geschmolzenen Kerzenstummeln und Terpentin zu bearbeiten und das Messing mit heißem Essig zu putzen.
Monk folgte Hagger die Treppe hinauf und die Galerie entlang bis zu einem großen Schlafzimmer, offensichtlich dem des Generals, dann an der Tür seines Ankleidezimmers vorbei zum nächsten Raum, den er als Mrs. Carlyons auswies. Er war wunderschön, sonnig und geräumig. Auf der linken Seite ging eine Tür ins Ankleidezimmer ab, wo
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