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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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über Männerangelegenheiten gesprochen – nichts für Frauenohren jedenfalls; über die Armee, über Heldentaten und große Schlachten, Abenteuer, Entdeckungsreisen und diese Dinge mehr.« Er setzte sich anders hin. »Wenn der Junge hinterher runterkam, haben seine Augen nur so gestrahlt. Und ganz versonnen gelächelt hat er, der arme Wurm.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Wie er sich jetzt wohl fühlen muß? Völlig allein und verlassen, sollte man meinen.«
    Zum erstenmal seit er sie im Gefängnis besucht hatte, spürte Monk überwältigende Wut auf Alexandra Carlyon in sich aufsteigen. Sie überrollte jegliches Mitgefühl und trennte sie endgültig von jener anderen Frau, die unablässig durch die Grenzbereiche seines Geistes spukte. Sie hatte kein Kind gehabt – dessen war er sich ziemlich sicher. Und sie war jünger gewesen, um einiges jünger. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er plötzlich so sicher war, aber er war von einer Gewißheit erfüllt, wie man sie sonst nur in Träumen fand, ohne zu wissen, aus welchen unergründlichen Tiefen sie kam.
    Er zwang sich in die Gegenwart zurück. Hagger starrte ihn an; ein Hauch der alten Skepsis tauchte wieder auf.
    »Wo ist er jetzt?« fragte Monk.
    »Bei seinen Großeltern, Sir, Colonel und Mrs. Carlyon. Sie haben ihn holen lassen, gleich nachdem seine Mutter verhaftet wurde.«
    »Kennen Sie Mrs. Furnival?«
    »Ich habe sie ein paarmal gesehen, Sir. Sie und Mr. Furnival haben gelegentlich hier gespeist, aber das war auch schon alles – ›gekannt‹ wäre das falsche Wort. Sie kam nicht sehr oft hierher.«
    »Ich dachte, der General wäre ein guter Freund der Furnivals gewesen?«
    »Ja, Sir, das stimmt auch. Aber er war wesentlich öfter bei ihnen als sie bei uns.«
    »Wie oft?«
    Hagger sah gequält und müde aus, doch er wirkte weder schuldbewußt noch bestrebt, Monks Fragen auszuweichen.
    »Na ja, wenn ich Holmes, seinen Kammerdiener, richtig verstanden habe, dann ungefähr ein-, zweimal die Woche. Aber falls Sie jetzt auf dumme Gedanken kommen sollten, Sir, kann ich nur sagen, Sie irren sich. Der General besuchte Mr. Furnival, weil er geschäftlich mit ihm zu tun hatte und ihm helfen wollte. Und Mr. Furnival war ihm sehr dankbar dafür, was ich so gehört habe.«
    Endlich stellte Monk die alles entscheidende Frage, zu der er sich die ganze Zeit vorgetastet hatte, vor deren Antwort er sich jetzt aber unverständlicherweise fürchtete.
    »Wenn Mrs. Furnival nicht zu Mrs. Carlyons Freunden gehört hat, wer dann? Bestimmt gab es Leute, die sie besuchten und umgekehrt, Leute, mit denen sie auf Parties, Bälle, ins Theater und dergleichen ging?«
    »O ja, Sir, selbstverständlich.«
    »Wie heißen sie?«
    Hagger zählte ihm etwa ein Dutzend Namen auf, die meisten davon Ehepaare.
    »Mr. Oundel?« hakte Monk nach. »Gibt es denn keine Mrs.
    Oundel?« Er fühlte sich hundsmiserabel, als er die Frage stellte. Die Antwort wollte er gar nicht hören.
    »Nein, Sir, sie ist vor einiger Zeit gestorben. War sehr einsam, der arme Tropf. Kam oft zu uns.«
    »Ich verstehe. Mrs. Carlyon hatte ihn gern?«
    »Ja, Sir, das glaube ich schon. Hat ihr wohl leid getan. Er kam meistens am Nachmittag, und dann saßen sie zusammen im Garten und haben stundenlang geredet. Wenn er nach Hause ging, war er wieder richtig guter Dinge.« Bei den letzten Worten glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Dann schaute er Monk an und wurde plötzlich todernst. »Sie war sehr gut zu ihm, das muß man sagen.« Monk wurde zunehmend übel.
    »Was macht Mr. Oundel beruflich? Oder gehört er zu denen, die einfach gern in den Tag hineinleben?«
    »Gott bewahre, Sir, er ist im Ruhestand. Muß mindestens achtzig sein, der arme alte Tropf.«
    »Oha.« Monk wurde von einer Erleichterung erfaßt, die regelrecht absurd war. Er wollte lächeln, lachen, brüllen – seiner irrsinnigen Freude Luft machen. Hagger würde vermutlich denken, er hätte den Verstand verloren – zumindest jedoch seine guten Manieren. »Ja, ich verstehe. Ich danke Ihnen, Mr. Hagger. Sie waren mir eine große Hilfe. Kann ich vielleicht mit der Zofe sprechen? Ist sie noch im Hause?«
    »Selbstverständlich, Sir. Wir würden das Personal niemals eigenmächtig entlassen, bevor – ich meine…« Er verstummte kläglich.
    »Natürlich nicht«, pflichtete Monk ihm bei. »Das sehe ich ein. Wir wollen hoffen, daß es nicht dazu kommt.« Er stand auf.
    Hagger rappelte sich ebenfalls hoch. Sein Gesicht verkrampfte sich, und er rieb sich

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