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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Unbestimmt starrte er die Polizisten an. Er war ein großer, kräftiger Kerl, mindestens einen Kopf größer als der Größere der Polizisten.
    „He …“, warnte der erste Beamte, „immer mit der Ruhe!“
    Sie leuchteten dem Mann mit ihren Taschenlampen ins Gesicht.
    Der erste Beamte riß die Augen auf. „Präsident Brosklav? Sie sind es?“
    „Der Präsident?“ sagte der zweite Beamte und trat einen Schritt näher.
    „Präsident?“ echote der Mann. „Präsident?“ Schlaff hing sein Unterkiefer herab. Er drehte sich zu dem stilisierten Mastodon um und fing aufs neue an, es in die Flanke zu hauen. Es dröhnte weit über Craterside Park.
    Marie-Elouise Olvera-Landis kam ziemlich früh am Morgen nach Hause. Leise schloß sie auf und ging geräuschlos in das alte Haus am Feldspar Drive. Nur einer ihrer drei Vertragsgatten begrüßte sie. „Schlafen Richard und Nels?“ fragte sie.
    Macy erhob sich von der Couch am Kamin und streckte sich. „Sie haben es nicht länger als bis Mitternacht ausgehalten.“
    Lou küßte ihn. Sie bemühte sich, keinen vorzuziehen, doch Macy besaß ihre besondere Zuneigung. Er war der Praktische unter ihren Gatten, derjenige, der mehr dachte als fühlte. Oft spürte sie seine innere Unruhe, einen Zustand, als versuche er, sich aus einem imaginären Labyrinth herauszufinden. Richard, ihr erster Gatte, war disziplinlos und geil. Sie fand ihn aufregend. Der zweite, Nels, war ätherisch und anbetend, aber meistens stak er tief in seinen Forschungen am Tancarae-Institut.
    „Wo warst du?“
    „Aus.“
    „Kartenspielen bei deinen Eltern?“
    Sie hob die Hände zum Hals und löste die Schnalle ihres Capes. „Ich habe den Windhover genommen und war am Grüngürtel. Ich wollte allein durch die Wüste streifen.“
    „Hast du einen brennenden Dornbusch gesehen?“ fragte er lächelnd. Macy war Bibliothekar und kannte alle die alten Geschichten.
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe einen Sterbenden gefunden.“
    „Jemanden, den wir kennen?“
    „Mach keine Witze!“ fuhr sie ihn an. „Es war ein Fremder.“
    „Ich dachte, es könnte dein Sinn fürs Dramatische gewesen sein.“
    Sie nickte. „Ja, du hast recht, ich habe das nur so gesagt. Vergiß es.“
    „Möchtest du einen Drink?“
    „Etwas Heißes. Nichts Stimulierendes.“
    Sie saßen am Kamin und tranken Minzen-Tee. „Wie lange dauert es noch, bis es hell ist?“ fragte Lou.
    „Drei Stunden, vielleicht vier.“
    „Ich möchte hier am Kamin schlafen.“
    „Der Teppich ist dreckig. Nels hat gestern nicht saubergemacht.“
    „Er hat’s vergessen“, sagte Lou.
    „Na ja, es ist eben noch dreckig.“
    „Ich leg mein Cape unter“, spottete sie, „hast du etwas dagegen?“
    „Ich bin nicht pingelig.“ Er griff nach ihr, und sie ließ es zu, daß er sie an sich zog. Nachdem sie sich geliebt hatten, brannten die künstlichen Scheite immer noch hell. „Stell das Feuer klein“, sagte Macy schläfrig.
    Lou drehte an der Röhre. „Bist du müde?“
    „Ja.“ Er kuschelte sich an sie wie ein Kind, das linke Bein über ihrer Taille.
    „Ich nicht.“
    Er öffnete ein Auge. „Was möchtest du?“
    Sie lächelte kindlich. „Eine Geschichte.“
    Macy stöhnte und setzte sich auf. „Es war einmal eine tapfere Frau namens Robin Hood …“
     
     
    Macy sah so erschöpft aus, daß es selbst bei dem schummerigen Licht des Kamins auffiel. „Bist du denn noch nicht müde?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Du bist ja schlimmer als ein Kind. Na schön – worüber möchtest du denn jetzt sprechen?“
    „Ganz egal.“
    Er überlegte. „Da ich der neueste von deinen Gatten bin – sprechen wir über dich.“
    „Schön.“
    „In deinem Zimmer ist eine Holographie. Ist das deine Schwester?“
    Sekundenlang schwieg sie. „Darauf war ich nicht gefaßt.“
    „Du brauchst nicht zu antworten.“
    „Die Holographie ist nicht meine Schwester. Das bin ich.“
    „Sie sieht dir aber gar nicht ähnlich“, entgegnete er überrascht.
    „Der Bequemlichkeit halber“, sagte der Chirurg, „haben wir Standardmuster.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe meine eigenen Spezifikationen mitgebracht.“
    „Die Familie ist wohlhabend“, erläuterte Lou, „wir können uns Wunder kaufen. Hast du eine Ahnung, wie ich als Kind war?“
    „Extravertiert, aufgeweckt, sportlich. Ich kann mir vorstellen, daß du der Mittelpunkt von ganz Craterside Park warst.“
    „Falsch. Ich war intelligent, aber auch ungeschickt und dick. Ich war introvertiert

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