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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Verdacht, daß da etwas stinkt.“
    „Craterside Park war doch immer so friedlich.“
    „Ja“, stimmte die Mutter zu, „aber heutzutage – wo soll das alles bloß noch hinführen!“
     
     
    Als ihre Mutter weg war, begab sich Lou in ihr Sonderzimmer. Dort schlief niemand mit ihr. Es war ein Zufluchtsort. Der Fußboden schwamm auf einer zirkulierenden Flüssigkeit. Holovistas öffneten die Wände ins Unendliche. Heute wählte Lou sich eine Baumperspektive. Damit saß sie in einem rauschenden illusionären Wald. Sie legte sich auf den Waldboden.
    Gesegnete Ruhe! Immer noch träumte sie sich als Puma Lou, doch beim Aufwachen erinnerte sie sich dieser Träume nicht mehr.
    Sie lag im Halbschlummer, schlief jedoch nicht richtig ein, schreckte auf, unorientiert, verwirrt. Sie starrte ins Unterholz und wünschte sich, ein einziges Mal möge ein unprogrammiertes Tier hervorbrechen und sie grüßen. Sie wälzte sich herum und sah die Wolken über den hohen blauen Himmel treiben.
    Nimm den Reichen, gib es den Armen … Das war von Macy und den zerfledderten Seiten eines alten verstaubten Buches.
    Was tue ich? dachte sie. Wie kann ich eine Vergangenheit wieder wegschaffen, die vermutlich nie existiert hat? Wem kann ich helfen helfen helfen …
     
     
    Wach auf, wach auf, flüsterte der Nachtwind. Lou fuhr hoch. „Ja, ja“, sagte sie, „ich bin ja wach.“ Die Wälder schalteten sich ab, und Lou war allein in dem kleinen grauen Zimmer.
    Draußen wartete Nels auf sie. Er war offensichtlich erregt. „Es tut mir leid“, begann er, „ich muß es dir, glaube ich, sagen – Macy und Richard duellieren sich.“
    Sie rieb sich die Augen. „Warum?“
    „Um dich.“
    „Ich schlafe wohl noch“, murmelte Lou, „wieso um mich?“
    „Komm“, sagte Nels und zog sie in die Diele hinaus.
    „Warum sollte ich der Grund sein?“
    Nels stolperte über seine Worte. „Es handelt sich um deine Familie. Wir haben gehört, daß du zu ihr zurückgehst. Du behältst nur einen Mann …“
    „Komm!“ Eilig schritten sie den Korridor hinunter, Nels’ knochige Beine gaben das Tempo an. „Wer hat dir das erzählt?“
    „Meine Cousine Ingrid“, gestand Nels verlegen. „Die Tante ihrer Zofe ist Zweite Haushälterin bei den Olvera-Landis. Die Tante hörte eine Diskussion über dich beim Dinner und konnte es nicht für sich behalten.“ Er zog den Kopf ein. „Entschuldige. Ich habe es Richard erzählt, und dann ging das mit ihm und Macy los.“
    „Idioten!“ sagte Lou.
    Klappernd rannten sie die Treppe hinunter. Richard und Macy waren im Speisesaal. Sie hatten den Tisch zur Seite geschoben und standen im freien Raum. Sie hatten jeder nur eine lockere weiße Hose an, die an der Taille und an den Knöcheln zugebunden war. Unter ständigem Hüpfen beschimpften sie sich.
    Lou blieb am Fuße der Treppe stehen. Sie wußte nicht, ob sie lachen sollte. „Was machen sie denn da?“
    „Die Hosen“, erläuterte Nels und wies mit dem Finger. „Jeder hat ein resurrektronisches Frettchen in der Hose. Der, dessen Frettchen sich zuerst durch den Stoff beißt, ist Sieger.“
    „So ein Blödsinn!“ rief Lou aus. Sie rannte in den Speisesaal und packte Macy an der Schulter. Ohne die Augen von Richard zu wenden schob er sie zur Seite.
    „Laß uns in Ruhe“, sagte Richard. Er war untersetzt und langarmig, und sein Schädel war so blank wie ein Stein in der Wüste. Aus den Hosen beider Männer ertönte schrilles Quieken.
    „Idioten!“ schrie Lou. „Wenn die Frettchen mit euch fertig sind, taugt keiner mehr zum Ehemann!“
    „Geh weg“, sagte Macy, „wir müssen das austragen. Erst wir beide, dann Nels.“
    „Nels, hilf mir, sie auseinanderzubringen!“ Lou packte einen der spillerigen Eßsaalstühle und schmetterte ihn gegen die verdächtige Ausbeulung an Macys Wade. Ihr Gatte schrie auf und stürzte seitlich hin. Etwas zuckte und wand sich unter dem Stoff seiner Hose. Mit dem abgebrochenen Stuhlbein schlug Lou noch einmal zu und hörte, wie das komplexe Schaltwerk zerbrach.
    „Hol dich der Teufel!“ schrie Macy und wollte ihre Hand packen. Sie schlug ihm ins Gesicht.
    Lou fuhr herum und sah, daß sich Nels und Richard auf dem Fußboden wälzten. Nels hatte die Beine um Richards Taille geschlungen. Zusammengekrümmt wie ein Taschenmesser hieb er mit der Faust auf eine Ausbeulung an Richards Fußgelenk ein.
    „Richard! Es ist aus!“ Ihr erster Gatte glotzte sie von unten herauf an; dann nahm er die Hände von Nels’ Kehle. Die Vier

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