Eine Stadt names Cinnabar
betrachteten einander mißtrauisch. Macy wischte sich die blutige Nase mit der Hand, und Lou gab ihm eine Serviette aus der Anrichte. Nels massierte vorsichtig seinen Hals. Richard saß auf dem Boden und machte ein böses Gesicht.
„Ihr blöden Kerle“, schalt Lou, „ist Nels der einzig Vernünftige?“
„Es stimmt also? Du gehst zu deiner Familie zurück?“ fragte Richard.
„Wer von uns wird abgeschoben?“ drängte Macy.
„Anita war heute bei mir. Deswegen.“
„Und was wirst du also tun?“
„Ich weiß noch nicht. Aber eins weiß ich: ich will nicht, daß ihr um mich kämpft wie die Zuchtbullen.“
„Ich denke, du bist so romantisch?“ fragte Macy voller Hohn.
Lou wandte sich ihm zu. „Nein, so nicht. Jetzt macht, daß ihr rauskommt, alle drei! Laßt mich gefälligst allein!“
Die drei Männer starrten sie an. „Soll einer von uns später noch zu dir kommen?“ fragte Richard.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich fühle mich nicht wohl und will allein sein.“ Sie wandte sich um und schritt zur Treppe. Die Männer blickten ihr nach, bis sie hinter dem obersten Treppenabsatz verschwand.
Sie saß auf der allerhöchsten Fensterbrüstung des höchsten Türmchens des alten Hauses und baumelte mit den Beinen im freien Raum. Das künstliche Pumafell schützte gegen den vom Meere her wehenden Wind.
Wer bin ich? dachte sie. Ich bin Puma Lou Landis.
Nein, antwortete Marie-Elouise Olvera-Landis. Ich bin ein häßliches, ungeschicktes Mädel, das irgendwelche Wunder nur aus zweiter Hand findet. Meine Helden sind in Büchern und Geschichten und Tonbändern und Erzählcomputern. Ich bin in eine wandelnde Phantasie eingeschlossen. Aber das ändert nichts an mir. Ich bin immer noch Marie-Elouise.
Ich bin die neue Wirklichkeit, dachte Puma Lou. Ich existiere in meiner Stärke und Schönheit.
Du wirst immer Marie-Elouise sein, entgegnete Marie-Elouise.
Nein. Nein?
Puma Lou starrte hinaus auf das STADT ZENTRUM, wo die Sterne immer schneller flackerten und schließlich verschwammen. Morgen, dachte sie, kommt Anita wieder und holt mich. Ich bin ein solches Kind! Ich werde tun, was sie sagt.
Wäre ich doch der Held, für den ich mich ausgebe!
Unten flimmerten die weitverstreuten Lichter von Craterside Park. Einer dieser winzigen Sterne bezeichnete das Heim von Josephus dem Verwalter. „Yakov“, flüsterte sie, „kleiner Gärtner, du bist die letzte Chance für meine Selbstachtung.“
Puma Lou stand auf und balancierte sorglos auf der steinernen Brüstung … Stufen. Stufen waren am schwersten. Zuerst erfaßte sie die neue Perspektive nur langsam. Tastend schritt sie hinab und häufig trat sie fehl. Der schöne schlanke Körper pulste unterfrischen Wunden. Sie schlang das Ende ihres Lassos um eine der Zinnen und verknotete es. Dann warf sie das Knäuel in die Dunkelheit hinaus. Sie verhakte das Lasso an einer Öse in ihrem Gürtel, dann schlang sie es um ihre Hüften und ließ sich vom Turm hinab.
Als junges Mädchen hatte sie an Garden-Partys auf Josephus’ Anwesen teilgenommen. Puma Lou kannte den Weg. Sie nahm Seitenpfade, kletterte über Dächer und vermied die sicheren Straßen von Craterside Park.
Zwei Streifenpolizisten saßen neben dem Eingang zu Josephus’ Anwesen und erzählten sich Geistergeschichten … … und aus dem Schrank kamen Totenschädel mit offenen Mäulern … Die Worte schwebten in der Luft, während Puma Lou durch das Unterholz schlich.
Es würde nicht schwierig sein, dachte sie, an Josephus heranzukommen. Wahrscheinlich gab es nur wenige Sicherheitsvorrichtungen. Craterside Park war relativ frei von Kriminalität. Die Beamten gingen Streife, weil Polizeichef Broklav Wert auf die Dienstvorschrift legte.
Sie war gut am Tor vorbeigekommen und lief über den Schachbrettrasen bis zur Hinterfront des Hauses. Eins der Fenster ließ sich lautlos nach innen öffnen, und Puma Lou stieg in Josephus’ Küche ein. Sie blieb stehen, um sich in der Dunkelheit zu orientieren, suchte im Gedächtnis ihrer Jungmädchenzeit und erinnerte sich, daß der Schlafraum des Hausherrn im zweiten Stock lag, im Südflügel. Ein paar Minuten brauchte sie für Treppen und Korridore. Bald stand sie vor der richtigen Tür. Sie schob sie auf und entnahm ihrer Gürteltasche einen kalten Metallwürfel.
„… brachte uns Erinnerungen an ein besseres Leben.“ Warum? Sie wandte den Blick ab von verdrehten Gliedmaßen und geschrumpften Seelen.
„Reichtümer habt ihr nie besessen.“
Sie starrten
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