Eine Stadt names Cinnabar
dafür übernehmen.“
Geschäftig machte sich Eithne an ihren Wänden zu tun. „Grimdahl wünscht eine rituelle Sühne? Opferung des Haifisches?“
„Niemals!“ Obregon war selbst über die Heftigkeit erstaunt, mit der er dieses eine Wort hervorstieß. Eithne schien ihn nicht gehört zu haben. Auf der Anrichte gluckerte ein Kaffeetopf halblaut vor sich hin. Eine Herdklappe erschien in der Wand und öffnete sich. „Ein simples Käseomelett, würde ich vorschlagen. Hast du einen Lieblingskäse, Timnath?“
„Nein.“
„Dann werde ich einen aussuchen. Weißt du, daß es mir großen Spaß macht, für dich zu kochen?“
„Freut mich“, erwiderte Obregon und begann zu überlegen, was er Terminex sagen würde.
„Und nach dem Frühstück können wir noch einmal zusammen ins Bett gehen?“
„Ich muß aber zum Hearing.“
„Ach, nur ein Viertelstündchen“, schnurrte sie kätzchenhaft.
Obregon sah sich im Schlafzimmer um. Es hatte keine Tür.
Der nächstgelegene Terminal-Annex befand sich in einem Park, etwa einen Kilometer von Eithnes Grundstück entfernt. Normalerweise wäre Obregon, schon um sich etwas Bewegung zu machen, zu Fuß gegangen, aber jetzt nahm er, da er bereits reichlich Bewegung gehabt hatte, die Untergrundbahn. Mit einem plötzlichen Unbehaglichkeitsgefühl im Magen stolperte er aus dem U-Bahnausgang und riß sich zusammen. „Alles schief und krumm“, murmelte er vor sich hin; „es müßte mal jemand dem Reparaturtrupp Bescheid stoßen!“
Er befand sich in einer grünen, kräftig nach Fichten und Jelänger-jelieber duftenden Lichtung. Er sah sich nach der üblichen Blechzelle um.
„Hier drüben bin ich.“ Die klangvolle Stimme kam aus einem besonders dichten wildbewachsenen Gebüsch.
„Terminex?“ Zögernd schritt Obregon auf die Anhöhe zu.
„Ja, Timnath.“ Terminex’ Stimme kam aus den trompetenförmigen Blüten des Jelängerjelieber. „Mein Terminal-Annex ist ein bißchen umgebaut worden.“
„Das sieht man.“ Obregon betrat die in Pflanzenwerk getarnte Zelle. „Sehr hübsch.“
„Das ist auf besonders dringliche Anforderung des Verschönerungsvereins geschehen. Die ästhetische Verbesserung des Stadtbildes scheint das Hauptanliegen dieser Gemeinde zu sein. Ich habe ihr jede mir mögliche Hilfe dargeboten.“
„Wie freundlich von Ihnen.“
„Ich bin für den Dienst am Volke da“, entgegnete Terminex. Unterm Geraschel der Ranken öffnete sich eine verborgene Schiebetür. „Möchten Sie hereinkommen, oder wollen Sie lieber von draußen sprechen?“
„Die Sonne ist mir angenehm auf der Haut“, erwiderte Obregon und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf eine kleine üppige Rasenbank. „Hier ist es sehr schön.“
„Gut.“ Der Computer machte eine kleine Pause und fragte dann: „Haben Sie sich jemals klargemacht, welche Rolle ich in Cinnabar spiele?“
„Oftmals“, erwiderte Obregon trocken. Dann runzelte er die Stirn. Weshalb machte Terminex solche Umschweife?
„Als sogenannte künstliche Intelligenz glaube ich, daß die Leute manchmal zuviel von mir erwarten.“ Und diese Worte brachte der Computer mit einem deutlichen Beiklang von Unwillen heraus. „Können Sie sich den riesigen Umfang meiner Aufgaben vorstellen?“ Ohne Obregons Antwort abzuwarten, beantwortete Terminex seine rhetorische Frage selbst. „Natürlich nicht. Ihr Geist wäre kaum imstande, auch nur von fern die Komplexität der Administration und Koordination des Lebens von Cinnabar zu erahnen. Ist Ihnen bewußt, daß diese Stadt ein Kollektivleben besitzt?“
„Äh – jawohl“, entgegnete Obregon erschüttert.
„Sie ist eine Wesenheit für sich, und dieser Organismus sind wir.“ Die Maschine murmelte klickwhirr; dann trat eine bedeutungsschwangere Stille ein. Die Jelängerjeliebertrompeten erzitterten, obwohl sich kein Lüftchen regte. Obregon wartete und überlegte dabei fieberhaft: könnte der Computer bei aller Perfektion vielleicht doch am Ende dem Druck irgendeiner fremdartigen Kette kypernetischer Psychosen erliegen? Wenn ja, könnte dann die Stadt überleben – unter der Führung von Menschen aus bloßem Fleisch und Metallfleisch?
Wieder kam die Stimme, kalt und vibrierend: „Timnath?“
„Ja?“ antwortete Obregon vorsichtig, aber fasziniert. Terminex war nie etwas anderes gewesen als ein konstanter Faktor unter den kontinuierlichen Variablen, die Obregons Leben beeinflußten. Seit Zeiten, die vor aller Erinnerung lagen, war Terminex ein Element von solcher
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