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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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hörte Obregon das Schwirren der Flügel. Der Ton filterte sich in seinen Traum ein und wurde dort interpretiert.
    Wind sauste durch die hohen grünen Äste von Tourmalines Baumhaus. Wie ein kühlender zärtlicher Sog strich die Luft um ihre Leiber.
    „Also wirklich … mit einem Haus schlafen?“ fragte Tourmaline soeben. „ Wo bleibt denn da dein guter Geschmack, Timnath? Ich will ja nicht kritisieren, aber …“
    „Es ist nur so eine vorübergehende gegenseitige Zuneigung“, sagte Obregon steif. „Sie ist noch einen Schritt über Metallfleisch hinaus. Natürlich bin ich neugierig.“
    „Nicht daß ich etwas gegen Metallfleisch hätte.“ Tourmaline setzte sich auf und kicherte genüßlich, so daß ihr tiefblaues Haar an ihren Hüften Wellen schlug. „Aber ausgerechnet Eithne? Mit ihrer Sensibilität hätte sie eine Lagerhalle werden sollen.“
    „Sei nicht so unfreundlich. Sie beweist immerhin einen gewissen Pioniergeist.“
    „Schon als sie noch Vollmensch war, habe ich sie nie richtig leiden können“, sagte Tourmaline zweifelnd, „und jetzt wohl erst recht nicht. Daß sie ihren Körper ausgewechselt hat, wird an der grundsätzlichen Sturheit ihrer Natur nicht viel ändern.“
    „Vielleicht“, gab Obregon widerwillig zu, „aber ich bin immer noch fasziniert.“
    „Bitte, bitte“, entgegnete Tourmaline tolerant, „dafür bist du Wissenschaftler.“ Sie beugte sich tief über ihn; vogelschwingen-leicht flatterten ihre Finger über seine Brust …
    Die Kolibris brachen in einen Gesang aus, ein schrilles Tremolo: „Guten Morgen, guten Morgen, Timnath Obregon, guten Morgen, aufstehen!“
    Gleich einem trägen Reptil öffnete Obregon langsam ein Auge, doch schloß er es sofort wieder. Die Kolibris sangen ein neues Chorlied: „Was für ein schöner Tag, Timnath, ein schöner Tag zum Aufstehen!“
    „Geht weg!“ murmelte Timnath mit schlaffen Lippen, kaum verständlich. Der Führervogel ließ sich sanft schwebend auf Obregons Stirne nieder, wippte lebhaft und pickte ihm auf die Nase. Obregon setzte sich auf, griff nach seiner Stirn, und der Vogel flog hoch. Wie Monde einen kraterzerklüfteten Planeten umkreisten die Kolibris Timnaths Kopf.
    Er rieb sich die Augen. „Was ist?“
    Die normalerweise exakten Ecken des Schlafzimmers öffneten sich zu stumpfen Winkeln; der Raum erweiterte sich.
    „Timnath?“ sagte Eithne. „Guten Morgen. Was ist los, wenn ich fragen darf?“
    „Botschaft“, antwortete Obregon. Er griff nach der Kolibriwolke, doch vergeblich; die Vögel entschwirrten.
    „Terminex wünscht deine Anwesenheit zu einem Morgenhearing“, trillerte der Chor.
    „Im Terminal-Annex“, kam summend die Coda hinterher.
    „Ich komme.“
    „Aaaaber baaald“, klang die Botschaft in einer ansteigenden, perfekt harmonischen Kadenz aus, und die Kolibris formierten sich wieder zum V. Schwirrend flog der beschwingte Schwarm zum offenen Deckenfenster und entschwand am Morgenhimmel.
    „Wie kann sich Terminex unterstehen“, schnappte Eithne, „auf diese Weise in mich einzudringen. Ein klarer Fall von Notzucht.“
    „Nur in rein technischer Hinsicht“, beschwichtigte Obregon.
    Die pastellblauen Wände wurden dunkler. Die Stimme bekam einen giftigen Beiklang. „Timnath – so früh am Tage mag ich mich nicht streiten.“
    „Ich auch nicht.“ Seine langen kräftigen Finger strichen über die Tastatur neben dem Bett. Eithnes Wände erröteten lieblich. „So ist es schon besser.“
    „Möchtest du jetzt frühstücken?“ fragte Eithne, „oder …“
    „Ich bin halb verhungert.“ Obregon schwenkte die Beine aus dem Bett und streckte die Arme.
    „Besondere Wünsche?“
    „Kolibriklößchen.“
    „Was?“ – Momentane Verwirrung. „Ach so. Wie gerne würde ich dir diesen Wunsch erfüllen. Dieser verdammte Terminex.“
    „Tja – da hilft nun alles nichts. Ich muß mich beeilen“, entgegnete Timnath.
    Ein Teil des Schlafzimmers verwandelte sich modulatorisch in eine Küche. „Ich finde hier gerade ein wunderbares Rezept für Eierkuchen mit Meeresfrüchten.“
    „Meeresfrüchte? Nein danke. Dadurch bin ich ja gerade in diese Klemme geraten.“
    „Aber Terminex kann dir doch nicht die Schuld dafür geben, was deine … äh … Sidhe angestellt hat.“
    „Grimdahl hat fünf Extensipoden aus Metallfleisch eingebüßt und ganze Beete seiner geliebten Belemnoiden, gar nicht davon zu reden, daß er fast ums Leben gekommen ist. Sidhes Programm ist kaputt. Irgend jemand muß die Verantwortung

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