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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Stabilität gewesen, daß man es nie in Frage gestellt hatte – doch jetzt …
    „Meine Kontrollmentalität befaßt sich mehr und mehr mit höheren Zielen“, fuhr Terminex fort, „ und es wäre mir lieber, wenn ich mich nicht mit der Schlichtung kleinlicher Streitereien befassen müßte.“
    „Höhere Ziele? Ich bin wohl kaum über Ihre … äh … Ambitionen informiert.“
    „Sie sind auch nicht Gegenstand dieser Unterredung“, erwiderte der Computer. „Wir wollen über die Differenzen zwischen dem Ozeanologen Grimdahl und Ihnen sprechen.“
    „Wahrlich eine Bagatelle, da bin ich durchaus Ihrer Meinung. Kein Grund, Ihre Zeit und Fähigkeiten mit diesem albernen Streit zu behelligen. Ich schlage vor, Grimdahl und ich regeln das unter uns.“
    „Unglücklicherweise hat Grimdahl formell Klage erhoben, und das fällt unter ein Programm, das ich nicht ignorieren und dem ich mich nicht widersetzen darf. Ich bin verpflichtet, eine Entscheidung zu treffen.“
    „Es war auch nur so ein Gedanke von mir“, seufzte Obregon.
    „Grimdahl hat bereits seinen Verdacht und seine Anklage gegen Sie vorgebracht.“
    „Ist mir eine Gegenäußerung gestattet?“
    „Zu gegebener Zeit. Vorerst möchte ich etwas hören über die biologischen Experimente mit dem Wesen, das Sie Sidhe nennen.“
    „Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll.“ Der Computer ging nicht auf die Bitte um Aufschub ein, die in diesen Worten lag, und Obregon begann.
    „Was ist das wildeste Geschöpf, das je gelebt hat?“ fragte Tourmaline.
    „Ein Mensch – oder etwas anderes?“
    „Etwas anderes.“
    Obregon lehnte sich von dem niederen Tisch zurück, auf dem die würzigen Reste des Mahles zum Vorabend des Semeign-Festes noch dufteten. Er verschränkte die Finger und legte sie sanft auf seinen Bauch. Er kam sich vor wie eine Urwald-Riesenschlange, die eben eine Ziege verschluckt hat – ein unbehagliches Gefühl. „… Zum Beispiel ein wütender Wasserbüffel, gar nicht zu reden von einem gereizten See-Snarkbullen. Und dann gab es den Basilisken mit seinem tödlich starren Blick und seinem Gift. Auch die großen säbelzähnigen Raubkatzen waren schreckenerregend. Die Leichenfresser waren ebenfalls recht unerfreulich. Doch wenn es um nackte, absolute Angst geht, die einem das Gedärm umdreht …“
    „Ja, das“, unterbrach Tourmaline, „genau das meine ich.“
     
    „Ein gespenstischer Hai lauert in den Buchten meines Bewußtseins.“ – Edwart E. Riciutti, Killer des Meeres.
     
    „Haie.“
    „Ein Hai!“ Tourmaline klatschte in die Hände. „Erzähl mir eine Geschichte über Haie!“ Sie waren vom Eß-Areal auf die vorderste, die Schlaf-Platt form hinausgetreten. Ungeschützt von den großen Ästen wiegte sich die mit weichem Grase bedeckte Fläche sanft im Abendwind. Tourmalines Haupt lag an Obregons Schulter. „Es war einmal“, begann er, „eine Frau, die wünschte sich, ein Hai zu werden.“
    Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Ist das eine wahre Geschichte?“
    „Eine obskure Mythe.“
    „Entschuldige die Unterbrechung. Weiter!“
    „Die Frau wollte ein Hai werden, damit sie Menschen fressen konnte.“
    „Alle?“
    Er nickte. „Besonders Männer.“
    „Das kann ich unterstreichen“, meinte Tourmaline. „Es gibt eine ganze Menge Typen, die ich gern verschlucken würde, wenn ich ein Hai wäre.“ Sie dachte einen Augenblick nach. „Und Frauen auch.“
    Obregon wurde ungeduldig „… Die Geschichte geht noch weiter.“
    „Entschuldige.“
    „Die Götter gewährten dieser Frau, ihr Ich in einen großen weißen Hai zu überführen; und so geschah es. Der Preis, den die Götter von der Frau forderten, war nicht nur hoch, er war auch moralisch exorbitant. Sie wandte sich von den Göttern ab und suchte Zuflucht in fernsten Meeren. Sie ließ ihr ganzes bisheriges Leben hinter sich, auch ihren Liebsten.“
    „Ihren Liebsten? Hai oder Mensch?“
    „Mensch. Er ließ sie ohne Widerrede ziehen, weil er sie nicht besitzen wollte.“
    „Oder konnte.“
    „Hätte er sie nicht so geliebt, so hätte er sie behalten“, ergänzte Obregon.
    „Dafür liebe ich ihn“, sagte Tourmaline spontan. „Wurden sie je wieder vereinigt?“
    „Ja, nach vieljähriger Trennung. Doch es war keine Liebesvereinigung, denn die Frau war völlig zum Hai geworden.“
    „Was geschah? Hat sie ihn gefressen?“ fragte Tourmaline unter entzücktem Schauder.
    „An diesem Punkt wird der Mythos fragmentarisch. Ich jedenfalls glaube, daß sie bei ihrem

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