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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Sidhe sich zum zweiten Male vom U-Boot zurückzog, um erneut Anlauf zu nehmen. Der mächtige gefleckte Körper schwang wie eine Peitschenschnur von seiner Beute weg, bog sich zusammen wie ein Taschenmesser und beschrieb einen Bogen vom Durchmesser seiner eigenen Länge.
    „Die beiden grünen Knöpfe über dem roten!“ schrie Obregon von der anderen Wand herüber.
    Tourmaline drückte die Tasten. „Wir können doch nicht schneller fahren als sie – oder?“ fragte sie.
    „Nein. Aber vielleicht haben wir als bewegliches Ziel bessere Chancen.“ Das U-Boot drehte langsam und träge von dem Haifisch ab. „Verdammt! Ruderblätter verbogen!“
    Sidhe schien sekundenlang regungslos vor der Luke zu hängen. „Was macht sie jetzt?“ fragte Tourmaline.
    „Wenn ich das nur wüßte! Haie sind unberechenbar.“
    Aber der dritte Stoß kam nicht. Mit träger, gleitender Bewegung schwamm Sidhe direkt an der durchsichtigen Bugkanzel entlang. Tourmaline und Obregon erstarrten. Dann sauste Sidhe an ihnen vorbei in die entgegengesetzte Richtung. Noch einmal stand ihr langer Körper vor den Korallenriffen, dann gewann sie das offene Meer und kam außer Sicht.
    Mühsam fuhr das U-Boot auf die Küste zu. Sidhe kam nicht wieder. Tourmaline massierte Obregons Schulter; sie war blau und grün, doch war anscheinend nichts gebrochen.
    „Das alles hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Es sollte ein kontrolliertes Experiment sein“, grübelte Obregon.
    Sanft drückte Tourmaline die schmerzenden Muskeln seiner Schulter. „Ich glaube, Sidhe läßt sich gar nicht unter Kontrolle halten“, entgegnete sie.
    Obregon fuhr zusammen. ‚Ich kann es trotzdem nicht verstehen!’
    Der Computer arbeitete ungewöhnlich lange, bevor er antwortete. „Dann haben Sie also bis jetzt noch keine definitive Erklärung für das Verhalten des Hais.“
    „Nein, keine.“
    „Aber eine hypothetische?“
    „Ich habe seitdem kaum etwas anderes getan als Hypothesen aufgestellt“, erwiderte Obregon verlegen lächelnd, „und außerdem endlose Runden in meinem leeren Aquarium geschwommen.“
    „Es würde mich interessieren, einige Ihrer Hypothesen zu hören.“
     
     
    Sie setzten Kurs ab auf die Tondelaya-Bucht, die einen weiten Bogen um die obere Stadtgrenze beschrieb, machten es sich dann auf der Passagierplattform bequem und ließen sich von dem stetigen chuff-chuff der Zwillingspropeller einlullen. Das Luftschiff hob vom Baumhaus ab und machte sich auf die gemütliche Reise zur Küste.
    „Diese Flugzeuge waren ursprünglich als Luftaufklärer gegen feindliche Unterseeboote gedacht, auch für die Fischer zur Ortung der Fänge. Für die Ortung eines Sechzehn-Meter-Hais müßten sie eigentlich ideal sein.“
    „Wenn sie nicht zu weit für unsere Reichweite ins offene Meer hinausgeschwommen ist“, wandte Tourmaline ein.
    Lässig ließ Obregon seinen Arm über das Geländer baumeln. „Sidhe wird vermutlich nahe beim Festlandschelf bleiben“, erwiderte er. „Meines Wissens gibt es weiter draußen nicht viel pelagische Fauna. Sie muß sich verhältnismäßig nahe an der Küste halten, um genügend Beute für die Erhaltung ihrer riesigen Körpermasse zu finden. Auf jeden Fall ist es einen Versuch wert.“
    „Und wenn wir sie finden?“
    „Tja …“ Obregon zögerte. „Dann werde ich wohl versuchen müssen, sie umzuprogrammieren.“
    „Was bedeutet das?“ fragte Tourmaline mißtrauisch. „Willst du ihr das Gehirn ausbrennen?“
    Obregon erschrak. Konnte Tourmaline irgendwie seine Gedanken lesen? „Natürlich nicht“, erwiderte er rasch. „So etwas Drastisches würde ich nie tun.“
    „Dann ist es ja gut.“
    „Wahrscheinlich werde ich es mit einem anderen psychochemischen Programm versuchen.“ Wenn auch das vorige offensichtlich nicht funktioniert hat, fügte er in Gedanken hinzu.
    „Wenn auch das vorige nicht funktioniert hat?“
    „Ich muß im Hinblick auf die größer gewordene Masse neu kalibrieren“, erwiderte er; „ich habe die Wachstumsrate an Größe und Gewicht unterschätzt, glaube ich.“
    „Du sollst ihr aber nichts tun.“
    „Vor allen Dingen soll sie keinem was tun. Sportsleute aus der Stadt fahren gelegentlich See-Snarks jagen; für die wäre es wahrscheinlich ein fataler Schock, wenn sie unerwartet auf Sidhe stoßen würden.“
    „Diese Dilettanten mit ihrem Blut-Sport auf See … geschieht ihnen ganz recht, wenn sie auf Sidhe treffen.“
    „Philosophisch gesehen ist das durchaus richtig“, nickte

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