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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Obregon.
     
    „Haben Sie sich etwa bei einer so simplen Gleichung verrechnet wie die Proportion des psychochemischen Agens zur metrischen Tonnage des Hais?“ fragte Terminex.
    Obregon schüttelte den Kopf.
    „Was also sonst?“
    Der Naturwissenschaftler sah verwirrt und verlegen drein, „Ich frage mich immer noch, ob da nicht eine fremde Variable besteht, irgendein geheimnisvoller Faktor, den ich nicht einkalkuliert habe.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Ich auch nicht, aber ich will es mal so angehen: Dadurch, daß ich einen Organismus circa 1,5 mal 10 7 Generationen zurückgekreuzt habe, wenn auch auf künstlichem Wege, habe ich ein Wesen geschaffen, das seit Jahrtausenden ausgestorben ist Sidhe hat, wenn man vom Hirn eines Hais in derartigen Ausdrücken sprechen kann, den Verstand und die Sensibilität einer Kreatur, die 150 Millionen Jahre nach ihrer biologischen Zeit geboren ist Die Forschungen Semalevskis deuten darauf hin, daß gewisse Grundstrukturen der Realität in erheblichem Maße von der Nähe zu ihrem ‚richtigen’ chronologischen Ort abhängig sind. Außerdem …“
    „Sie wollen sagen“, unterbrach der Computer, „daß sowohl die subjektive als auch die objektive Realität des Haifisches Sidhe schief zu unserer Intelligenz verlaufen – sei diese Intelligenz nun menschlich oder künstlich.“
    „ Und daher“, fuhr Obregon fort, „kann es zwischen mir und ihr keine direkte Kommunikation geben. Das ist das Problem; meine Manipulierung des Haifisches wird offenbar durch die Tatsache erschwert, daß nicht nur seine mentale, sondern auch seine physische Realität nur unvollkommen mit meiner eigenen koinzidieren. Ich habe es mit einem doppelt fremden Geschöpf zu tun.“
    „In der Tat faszinierend“, räumte Terminex ein, „vielleicht für den menschlichen Verstand letzten Endes zu komplex.“
    „Und nicht auch zu komplex für den Ihrigen?“
    „Das“, entgegnete der Computer, „ist nicht mein Problem.“
     
    Vor dem Nordkap erblickten sie den riesigen Schatten zuerst. „Ist das –?“ fragte Tourmaline, während sie die Steuerung betätigte und das Luftschiff sich langsam in Spiralen auf die See hinabsenkte.
    „Die Größe stimmt ungefähr“, erwiderte Obregon, „und See-Snarks kommen gewöhnlich nicht so dicht an die Küste heran.“
    „Das ist sie.“ Eine dunkle dreieckige Rückenflosse durchbrach den Meeresspiegel, einen Keil aus schaumig weißem Wasser hinter sich lassend. Tourmaline ließ das Luftschiff in stumpferem Winkel absteigen.
    Obregon zerrte an einem flachen Gerätebehälter. „Kannst du nicht schneller hinunter?“
    „Das Ding hier ist nicht auf Schnelligkeit konstruiert.“
    „Versuche, genau über sie und hinter ihren Kopf zu kommen. Ich schieße ihr dann einen Aerosolpfeil in die Kiemen, ehe sie merkt, daß sie nicht allein ist.“
    „Aber du machst sie doch nicht tot, nein?“ fragte Tourmaline sachlich.
    „Was?“ Schuldbewußt fuhr Obregon hoch und wies ihr das deltaförmige Stück Metall in seiner Hand. „Das ist ein rein anästhetischer Pfeil, vollkommen harmlos, die Wirkung ist zeitlich begrenzt.“
    „Und was dann?“
    „Wenn sie sich nicht mehr bewegt, implantiere ich ihr einen Tropfkubus mit dem geeigneten PC-Agens. Diesmal kriegt sie soviel, daß sie lange genug umgänglich bleibt.“
    „Das glaube ich dir nicht.“ Tourmaline sah ihn fest in die Augen, und er errötete leicht. „Du hast niemals gut lügen können, Timnath.“ Sie blickte hinab auf den breiten schwarzen Rücken des Fisches. „Du kannst sie nicht verstehen. Sie ist ein Mysterium, in das du nicht eindringen kannst; deshalb hast du Angst vor ihr, und jetzt willst du sie vernichten. Ich habe Besseres von dir erwartet.“
    „Du irrst dich. Ich würde nie ein Experiment vorzeitig abschließen, in das ich so stark investiert habe.“ Und doch, dachte er, wenn Sidhe so weitermacht.
    Tourmaline mustert ihn eindringlich, dann betätigte sie die Steuerung, und das Luftschiff trieb ab, weg von Sidhes Kielwasser.
    „Was machst du denn da?“
    „Ich schließe dein Experiment ab – aber auf eine bessere Art.“
    „Und so fanden Sie sich damit ab, daß der Hai entkam?“
    „ Was konnte ich dagegen tun? Sie drohte, mich über Bord gehen zu lassen, wenn ich sie hinderte, und das glaubte ich ihr auch. Ich habe sie nie zuvor so zornig gesehen.“
    „Und Sidhe?“
    „Ich folgte ihr mit den Augen, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Bald nachdem wir unsere Verfolgung abgebrochen

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