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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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flehte Eileen,
und dies schien unter den gegebenen Umständen in der Tat noch das beste zu
sein.
    Die drei Erwachsenen nahmen jeder ein
Kind und trugen oder führten es die fünf Meilen bis Batu Tasik. Das Gepäck
ließen sie im Wagen, schlossen ihn ab und ließen ihn stehen.
    Als sie in der ersten Vormittagshitze
ihr Heim erreichten, waren alle todmüde. Im Kühlschrank waren zum Glück noch
kalte Getränke. Sie stillten den Durst und legten sich dann zur Ruhe.
    Eine Stunde danach wurden sie durch
einen beim Bungalow stoppenden Lastwagen geweckt. Ein junger Offizier kam
hereingestürzt: «Ihr müßt hier weg!» rief er, «ich nehme euch im Wagen mit.
Wieviel seid ihr?»
    «Sechs», sagte Joan, «einschließlich
drei Kinder. Können Sie uns nach Kuala Lumpur fahren? Unser Wagen ist kaputt.»
    Der Offizier lachte auf. «Was denken
Sie?! Die Japaner sind in Kerling, das heißt: jetzt schon wahrscheinlich noch
weiter südlich!» Kerling war nur zwanzig Meilen entfernt. «Ich bringe euch nach
Panong. Dort habt ihr ein Boot nach Singapore.»
    Das Gepäck aus dem Austin mitzunehmen,
lehnte er ab. Mit Recht. Auf seinem Lastwagen befand sich eine ganze Anzahl
Familien, die zu spät ans Evakuieren gedacht hatten, und der havarierte Austin
lag fünf Meilen in Richtung des anrückenden Feindes.
    «Kuala» bedeutet: Mündung. Kuala Panong
war eine kleine Stadt an der Mündung des Panong und Sitz eines Distriktsbevollmächtigten.
Bis der Lastwagen dort eintraf, hatte sich seine Traglast auf etwa vierzig
Personen erhöht: Männer, Frauen und Kinder, die man zur Zwangsevakuierung von
den umliegenden Anwesen weggeholt hatte. Es waren zum größten Teil Leute
bescheidener Herkunft, Frauen und Kinder englischer Vorarbeiter, Mechaniker,
Monteure und Streckenarbeiter, die schwerlich imstande gewesen waren, die
Gefahr und das Tempo des japanischen Vormarsches auch nur entfernt zu ahnen.
Plantagenleiter, Regierungsbeamte und die Chefs der Plantagengesellschaft, die
über Informationen und ausreichend Geld verfügten, hatten ihre Familien
rechtzeitig nach Singapore gebracht. Was bis zum letzten Moment geblieben und
vom Lastwagen abtransportiert worden war, das waren die Hilflosesten.
    Der Wagen hielt vor dem Amtshaus des
Distriktsbevollmächtigten; der junge Offizier eilte hinein und kam sogleich mit
dem Bevollmächtigten wieder heraus, der einen sehr bekümmerten Eindruck machte.
Er warf einen Blick auf die dicht zusammengedrängten Frauen, Kinder und die
paar Männer.
    «Mein Gott!» flüsterte er, da er den
Umfang der ihm auferlegten Verantwortung erkannte, «mein Gott! Fahren Sie mit
ihnen hinüber zum Rechnungsbüro; es ist ja noch Zeit. Da können sie sich eine
Stunde auf der Veranda ausruhen. Ich will sehen, daß ich inzwischen etwas
ausrichte! Es soll sich aber niemand zu weit von der Veranda entfernen. Sagen
Sie ihnen das!» Und indem er sich wieder seinem Büro zuwandte: «Ich denke, ich
kann sie in Fischerbooten befördern; es sind noch einige da. Besser geht es mit
dem besten Willen nicht. Ein Schiff oder Motorboot ist nicht mehr vorhanden.»
    Der Wagen leerte sich vor der erwähnten
Veranda, die Schatten und Kühlung bot. In dem dahinter befindlichen Büro
standen poröse indische Badezuber, sogenannte Chatties, mit kaltem Wasser. Die
Evakuierten konnten sich etwas erquicken, die Glieder bewegen, sich sammeln und
ausruhen. Bill und Joan ließen die Kinder mit ihrer Mutter auf der Veranda;
Eileen saß am Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Ihr Mann aber machte
sich mit Miss Paget auf den Weg, um im Ort für das eingebüßte Gepäck einiges
einzukaufen. Sie erstanden eine Milchflasche für das Baby, etwas Chinin, ein
Medikament gegen Ruhr, zwei Büchsen Biskuit und drei Fleischkonserven. Nach
Moskitonetzen hielten sie vergebens Ausschau; die waren ausverkauft. Für sich
selbst kaufte Joan Nadeln und Garn, und als sie irgendwo einen großen
Brotbeutel erblickte, auch diesen. In den nun folgenden Jahren hat sie den
Brotbeutel wacker getragen, drei Jahre lang.
    Gegen fünf waren die beiden wieder auf
der Veranda, zeigten der Frau und den Kindern die Einkäufe; sie verzehrten
einige Biskuits, und alle bekamen Zitronenlimonade.
    Um Sonnenuntergang meldete der
Leuchtturmwärter von der Panongmündung dem Distriktsbevollmächtigten
telefonisch, die «Osprey» nähere sich vom Meer her dem Fluß, biege ein... Die
«Osprey» war ein in Penang stationiertes Zollpolizeischiff, das in der Straße
von Malakka nach Schmugglern aus
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