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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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vortreffliche Hausfrau, aber unfähig, im Wirrwarr der
Evakuierung mit drei kleinen Kindern zu reisen.
    Die Fahrt im Eingeborenen-Bus verlief
ohne Hindernis, so daß Joan mit ihrem Köfferchen um Mittag in Batu Tasik
eintraf. Dort fand sie Mrs. Holland allein bei den Kindern. Alle Autos und
Lastwagen der Bergwerksgesellschaft waren vom Militär requiriert. Das einzige
Fahrzeug, das Hollands noch hatten, war ihr alter Austin Zwölf, aber ein Pneu
war durchgewetzt, und der einzige Reservepneu zeigte seitlich eine verdächtige
Blase. Mit diesem Vehikel jemanden evakuieren zu wollen, schien ein
bedenkliches Wagnis. Um frische Pneus aufzutreiben, war Mr. Holland bei
Tagesanbruch nach Kuala Lumpur gefahren und noch nicht zurückgekehrt. Seine
Frau befand sich in höchster Aufregung. Der Bungalow war ein einziges
Durcheinander, die Amah gekündigt und schon fort; überall standen halb oder
auch ganz gepackte und wieder geöffnete Koffer. Freddie, der siebenjährige,
hatte im Teich geplanscht und war ganz schmutzig. Die vierjährige Jane saß
zwischen Handkoffern auf ihrem Töpfchen und heulte. Mrs. Holland gab dem Baby
sein Fläschchen, kochte das Mittagessen, beschwichtigte Jane, jammerte nach
ihrem Mann und dies alles zur selben Zeit. Da machte Joan sich rasch ans Werk,
säuberte Freddie, nahm Jane vom Töpfchen, und bald darauf saßen alle beim
Essen.
    Bill Holland kam erst gegen
Sonnenuntergang und mit leeren Händen. Alle Pneu-Vorräte von Kuala Lumpur waren
beschlagnahmt. Er hatte jedoch in Erfahrung gebracht, am nächsten Morgen um
acht werde ein Eingeborenen-Bus von Kuala Lumpur nach Singapore fahren, und
hatte vorsorglich Plätze für die Familie belegt und bezahlt. Mangels
Transportmittel hatte der Ärmste die letzten fünf Meilen nach Hause zu Fuß
gehen müssen, und das war bei der tropischen Hitze auf schattenloser, geteerter
Straße um diese Stunde und Jahreszeit wahrlich kein Spaß. Er war verschwitzt,
halb verdurstet und völlig erschöpft.
    Es wäre am besten gewesen, sie hätten
noch in derselben Nacht nach Kuala Lumpur fahren können; aber aller
Straßenverkehr bei Nacht war von der Militärbehörde verboten. Sie wären
womöglich mit ihrem Austin ins Feuer schußfreudiger Posten geraten und
beschlossen daher, erst bei Morgengrauen abzufahren. Zeit genug, um rechtzeitig
am Bus in Kuala Lumpur zu sein!
    Voll trüber Ahnungen blieb Joan über
Nacht im Bungalow. Schlafen konnte sie nicht. Kurz nach Mitternacht hörte sie,
wie Bill Holland aufstand und hinaus auf die Veranda trat. Sie spähte durch ihr
Moskitonetz. Er stand reglos da. Die Sterne funkelten. Sie schlüpfte unter dem
Netz hervor, warf einen Kimono um, denn in Malaya schläft man so gut wie
unbekleidet, und huschte hinaus.
    «Was gibt’s?» fragte sie.
    «Nichts. Mir war nur, als hätte ich
etwas gehört...»
    «War jemand im Hof?»
    «Das nicht.»
    «Was denn?»
    «Ich dachte, ich hätte schießen gehört,
ganz weit weg. — Ich habe mich wohl geirrt.»
    Sie horchten gespannt. Aber das nahe
laute Gequake der Frösche im Teich und das schneidende Zirpen der Grillen
übertönte jedes andere Geräusch.
    «Mein Gott!» stöhnte Bill, «wenn’s nur
erst dämmerte!»
    Dann gingen sie wieder zu Bett.
    In dieser Nacht gelangten japanische
Patrouillen unbemerkt in den Rücken unserer Streitkräfte am Bidor und
erreichten den Slim River, nicht einmal fünfzig Meilen vor Kuala Lumpur.
    Ehe noch der Morgen anbrach, war alles
im Haus auf den Beinen. Beim ersten Frühlicht wurde der alte Austin beladen.
Das ganze Gepäck, drei Kinder und drei Erwachsene waren für ihn eine
beträchtliche Last.
    Bill Holland zahlte die malaiischen
Grubenarbeiter aus, und dann ging es los in Richtung Kuala Lumpur.
    Nach kaum zwei Meilen platzte der
durchgescheuerte Pneu. Eine qualvolle Pause entstand, in der man den
Reservepneu, den mit der Blase, montierte. Der aber hielt nicht einmal so lange
wie sein Vorgänger. Er war schon nach einer halben Meile platt. Verzweifelt
fuhr Bill auf der Felge weiter; nach zwei weiteren Meilen krachte der Radkranz
zusammen, und damit war der Austin erledigt. Bis Kuala Lumpur waren es noch
etwa fünfzehn Meilen. Die Uhr zeigte dreißig Minuten vor acht.
    Bill rannte nach einem ungefähr eine
Meile entfernten Bungalow einer Plantage, um Hilfe zu holen. Umsonst! Plantage
und Haus waren leer, die Bewohner evakuiert. Tief enttäuscht kam er zu den
Seinen zurück, die in höchster Unruhe um den Austin herumstanden.
    «Nur wieder nach Hause!»

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