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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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eins unterschied Donald
und Joan von ihren Schulkameraden: Sie konnten Malaiisch. Das hatten sie dort
von ihrer «Amah», der Kinderfrau, wie von selbst gelernt, und die Mutter hatte
sie nach ihrer Rückkehr dazu ermuntert, miteinander weiter malaiisch zu
sprechen, zuerst nur zum Spaß, als eine Art Familien-Geheimsprache, später aber
aus triftigen Gründen. Damals, als Arthur Paget bei Ipoh mit seinem Wagen an
den Baum fuhr, war er für seine Firma geschäftlich unterwegs gewesen. Seine
Witwe erhielt die vertraglich festgelegte Pension. Vater Paget war ein
tüchtiger und für die Plantagengesellschaft Kuala Perak wertvoller Mitarbeiter
gewesen. Teils aus Dankbarkeit für seine Dienste, teils aber auch aus
praktischen Gründen, weil man auf fähigen Nachwuchs den größten Wert legte,
hatten die Direktoren sich brieflich an die verwitwete Jane gewandt und ihr den
Vorschlag gemacht, ihr Sohn Donald solle, sobald er neunzehn sei, bei ihnen
eintreten. Das Angebot wurde lebhaft begrüßt, denn es eröffnete dem Jungen eine
aussichtsreiche Laufbahn im Fernen Osten, wobei ihm seine malaiischen
Sprachkenntnisse sehr zustatten kamen. Sie gewährten ihm einen Vorsprung vor
sozusagen sämtlichen jungen Engländern, die mit Neunzehn dort draußen anfangen
wollten. Die kluge Jane Paget, geborene Macfadden, hatte mit ihrem schottischen
Verstand das Richtige getroffen, als sie das Malaiische ihrer Kinder gepflegt
hatte.
    Joan hatte sich in Southampton
unendlich wohl gefühlt, und die Brennpunkte ihrer glücklichen Kinderjahre waren
das Häuschen in Bassett, die Schule, das «Cinema Regal» und die Kunsteisbahn
gewesen, vor allem die Kunsteisbahn. Die lebte in ihrer Erinnerung als ein
einzigartiges Glück, mit dem die Klänge von Waldteufels «Schlittschuh-Walzer»
untrennbar verbunden waren.
    «Ach, war das schön!» Sie starrte
gedankenversunken in die züngelnden Flammen meines Kamins. «Vielleicht war es
in Wirklichkeit gar nichts Besonderes... ein großes hölzernes Bauwerk... Wir
sind dort etwa zweimal die Woche Schlittschuh gelaufen; es war zu schön! Die
blanke Eisfläche, die flinke Bewegung zur fröhlichen Musik und all die Jungen
und Mädchen! Die bunte Menge der Lichter und Läufer; ich war gut trainiert.
Mama hatte mir ein Eislaufkostüm geschneidert: Ein weißes Röckchen, und dazu
trug ich eine schwarze Strumpfhose. So tanzte ich auf dem Eis...»
    Sie wandte den Kopf nach mir hin: «Dann
in Malaya, wissen Sie, als unser Häuflein an Ruhr und Malaria hinstarb, im
Regen, im Fieber, ohne Nahrung, Essen und Dach, weil niemand uns wollte, da
habe ich mehr als an irgend etwas anderes an die Kunsteisbahn in Southampton
gedacht. Sie war für mich das Leben von einst, so wie es sein soll. Ich habe
mich daran geklammert...» Sie holte tief Atem. «Als ich dann wieder in England
war, bin ich, sobald es nur ging, nach Southampton gefahren. Ich hatte dort
einiges zu erledigen; ja, aber eigentlich fuhr ich nur hin, weil ich mir in all
den Jahren geschworen hatte: Du wirst zurückkehren und wieder Schlittschuh
laufen wie einst! Und als ich hinkam, hatte Southampton keine Kunsteisbahn
mehr. Da stand ich, am Arm die Eislaufstiefel mit den Schlittschuhen dran, und
heulte los; ich konnte nicht anders. Das Taxi wartete hinter mir. Was mag der
Chauffeur von mir gedacht haben?»
    Ihr Bruder war 1937 nach Malaya
gefahren. Joan war damals sechzehn. Mit siebzehn kam sie aus der Schule,
besuchte einen Halbjahreskurs in einer Handelsschule und arbeitete dann in
einem Anwaltsbüro in Southampton. Sie erwog nun, zu ihrem Bruder nach Malaya zu
gehen. Ihre Mutter war mit dem Chef der Plantagengesellschaft Kuala Perak in
Verbindung geblieben. Mit Donald war man dort zufrieden; an ledigen
Engländerinnen herrschte kein Überfluß, und als Frau Paget anfragte, ob man in
der Zentrale zu Kuala Lumpur für Joan Verwendung habe, schenkte man ihrem
Angebot ernsthafte Beachtung. Eheliche oder auch sonstige Verbindungen der
Direktoren und Angestellten mit eingeborenen Mädchen und Frauen waren bei der
Company streng verpönt und allein nur dadurch zu verhüten, daß man nach
Möglichkeit unverheiratete Engländerinnen engagierte. Und hier war nun eine aus
guter Familie, die obendrein die malaiische Sprache beherrschte, ein äußerst
seltener Fall bei einer Stenotypistin aus England. So bekam Joan die Stellung.
    Während dies alles noch in Schwebe war,
brach der Krieg aus. Auch für England war er zu Anfang ein «drôle de guerre».
Sollte Joan deswegen auf
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