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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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Sumatra fahndete, ein starkes, seetüchtiges
Fahrzeug mit Dieselmotoren, hundertdreißig Fuß lang...
    Der Distriktsbevollmächtigte strahlte.
Hier nahte die Lösung des Evakuierungsproblems! Ganz gleich, welche Aufgabe der
«Osprey» gestellt war, sie mußte die Evakuierten an Bord nehmen und aus der
Gefahrenzone in Sicherheit bringen. Der Beamte verließ sein Büro und eilte zum
Kai, um sogleich bei der Landung alles mit dem Kapitän zu besprechen.
    Dort, wo der Panong die letzte Biegung
macht, kam das Zollschiff in Sicht, und siehe, es trug einen Truppentransport:
kleine, vierschrötige, gelbe Männer in graugrüner Uniform, mit aufgepflanzten
Bajonetten; ihre Waffen waren größer als sie. Das Schiff legte an. Dem
Distriktsbeamten stockte das Blut in den Adern. Das war das Ende.
    Schon waren die Japaner an Land und
nahmen ihn fest. Er mußte vor ihnen her über den Landungsplatz in sein Büro
gehen. In seinem Rücken drohten Gewehre und Bajonette, bereit, ihn beim
geringsten Zeichen von Widerstand zu töten.
    Doch es waren keine Truppen mehr da,
die hätten Widerstand leisten können. Selbst der Offizier mit dem Lastwagen war
auf und davon, um womöglich seinen Truppenteil zu erreichen. Die japanischen
Mannschaften schwärmten aus und besetzten den Ort, ohne auch nur einen Schuß
abzugeben. So gelangten sie zu den Evakuierten, die wie erstarrt auf der
Terrasse saßen.
    Vor den gefällten Bajonetten einer
Abteilung erging der Befehl, ihre Füllfederhalter, Armbanduhren und Ringe
sofort herzugeben. Von ihren Männern leise ermahnt, gehorchten die Frauen
schweigend und wurden nicht weiter belästigt. So kam Joan um ihre Uhr. Ihre
Handtasche wurde nach einem Füllfederhalter durchsucht, aber der war im
Köfferchen auf dem Austin.
    Als die Nacht hereinbrach, erschien ein
japanischer Offizier und musterte beim Schein eines Windlichtes die stumme
Versammlung. Er schritt die Front der Veranda ab, leuchtete mit seiner
Taschenlampe jede einzelne Gruppe an. Dicht hinter ihm marschierten mit
entsicherter Schußwaffe und aufgepflanztem Bajonett zwei Soldaten. Fast alle
Kinder fingen an zu weinen.
    Nach beendigter Inspektion radebrechte
der Hauptmann folgende Ansprache: «Jetzt ihr Gefangene. Ihr bleiben hier zur
Nacht. Morgen ihr gehen Gefangenencamp — vielleicht. Wenn ihr tut gute Ding,
Gehorsam den Befehl, ihr werden erhalten Gutes von japanische Soldat. Wenn ihr
tut schlechtes Ding, ihr werden erschossen direkt. Also tut gute Ding immer!
Wenn Offizier kommen, ihr aufstehen und verneigen, immer. Das ist gute Ding.
Jetzt ihr schlafen.»
    Einer der Männer fragte, ob sie
vielleicht Moskitonetze und Betten bekommen könnten.
    «Japanische Soldaten haben nicht
Betten, nicht Moskitonetze. Vielleicht morgen ihr haben Betten und Netze.»
    Ein zweiter fragte, ob es denn kein
«Supper» gebe. Das Wort mußte verdolmetscht werden: «Essen, Nahrung.»
    «Morgen ihr haben Nahrung.» Damit
entfernte sich der Offizier und ließ an beiden Enden der Veranda einen Posten.
    Die Gegend von Kuala Panong ist
sumpfig, der Panong träge und trübe, die Fliegenplage entsetzlich.
    Die Kinder jammerten und quälten sich
die ganze Nacht, die kein Ende zu nehmen schien. Der harte Boden, auf dem man
ruhelos lag, die Angst vor der Gefangenschaft, das drückende Gefühl der
völligen Niederlage, die Angriffe der unersättlichen Moskitos — wie hätte ein
Mensch dabei Schlaf finden können? Einmal dämmerte Joan ein wenig ein. Steif und
zerschlagen wachte sie auf, mit geschwollenen Augen, Wangen und Augenlidern,
als ein erneutes Kindergezeter den heftigsten Ansturm der Moskitos verkündete,
der in der Stunde vor Tagesanbruch erfolgt. Der Morgen fand die Gefangenen in
einem beklagenswerten Zustand.
    Dann machten Vater und Mutter Holland
aus Büchsenfleisch und süßen Biskuits Sandwiches für ihre Kinder, die sich
danach etwas besser fühlten. Auch die meisten andern hatten etwas zu essen bei
sich, und wer gar nichts besaß, erhielt etwas von denen, die noch etwas hatten.
Die Japaner lieferten nichts. Dafür begann im Laufe des Vormittags ein Verhör.
    Die Gefangenen wurden familienweise in
das Distriktsverwaltungsgebäude geführt. Dort saß ein japanischer Hauptmann. Er
hieß Yoniata, wie Joan später erfuhr. Neben ihm saß ein Leutnant, der sich in
einem Oktavheftchen einiges aufnotierte. Joan ging mit der Familie Holland
hinein. Als der Hauptmann sie fragte, wer sie denn sei, sagte sie, sie gehörten
zusammen; sie sei eine Freundin der Familie, sie
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