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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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wollten zusammen reisen; von
ihrer Firma in Kuala Lumpur sei sie entlassen.
    Nach Beendigung der Einvernahme, die
nicht viel Zeit in Anspruch nahm, sagte der Hauptmann: «Männer gehen in
Gefangenenlager heute, Frau und Kind hierbleiben. Männer gehen nachmittag. Also
ihr werden sagen Farewell bis nachmittag. Danke.»
    Man hatte es befürchtet. Man hatte
schon auf der Veranda davon gesprochen. Aber so schnell?! Das hatten sie nicht
erwartet.
    Eileen Holland stellte die Frage:
«Dürfen wir wissen, wohin wir Frauen mit unseren Kindern kommen?»
    Der Hauptmann antwortete: «Die
Kaiserlich Japanische Armee machen nicht Krieg gegen Frau und Kind. Vielleicht
nicht müssen in Camp, wenn machen gute Ding, vielleicht leben in Haus.
Japanische Soldat immer gut zu Frau und Kind.»
    Als die Familie wieder auf der Veranda
war, besprachen sie sich mit den übrigen. Was sollten sie tun? Sie konnten
nichts tun. Getrennte Internierung, Frauen und Kinder für sich, ist
kriegsüblich. Aber hart und schwer zu ertragen. Joan hatte das Gefühl, daß Hollands
die kurze ihnen verbleibende Zeit für sich allein sein wollten. Sie setzte sich
abseits ans Ende der Veranda; ihr Magen knurrte. Düster fragte sie sich, was
ihr noch alles bevorstehe, und ihre Jugendkraft regte und wehrte sich. Soviel
war sicher: wenn man noch einmal hier auf der Veranda übernachten müßte,
brauchte sie unbedingt etwas gegen Moskitos! Der Laden, in dem sie gestern mit
Bill das Chinin und Mittel gegen Ruhr gekauft hatte, mußte doch wohl auch
Insektenmittel vorrätig haben. Sie saß in der Nähe des Postens, winkte ihm,
deutete auf die Moskitostiche, wies dann in Richtung der Straße, stand auf und
ging die Verandastufen hinab. Sofort fällte der Soldat das Bajonett und
scheuchte sie auf die Veranda zurück. Also so ging es nicht. Bevor der Mann
wieder seinen Posten bezog, warf er ihr noch einen mißtrauischen Blick zu.
    Doch Joan ließ sich nicht abschrecken.
Es gab noch eine andere Möglichkeit. Die Latrine hinterm Haus auf dem Hof! Der
Hof war rings eingezäunt und hatte keinen Ausgang außer ums Haus herum, und da
mußte man an einem der beiden Posten vorbei. Er war daher unbewacht. Joan
wartete erst noch ein Weilchen und ging dann durch das Rechnungsbüro zur
Latrine. Auf dem Hof hielt sie Umschau. Er war unbewacht. Zwischen ihr und den
Posten lag das Haus. Draußen in einiger Entfernung spielten malaiische Kinder.
    Sie rief eines auf malaiisch leise und
liebevoll an: «Du! Ja, du Mädchen! Komm doch einmal her!»
    Das Kind näherte sich. Es war etwa
zwölf Jahre alt, und Joan fragte: «Wie heißt du denn?»
    «Halija!» sagte das Mädchen und
kicherte verlegen.
    «Kennst du den Laden, wo man Medizin
kaufen kann? Da ist ein Chinese, der Medizin verkauft.»
    «Chan Kok Fuan», sagte das Kind eifrig,
und darauf Joan: «Geh zu Chan Kok Fuan! Wenn du ihm ausrichtest, was ich dir
jetzt sage, gebe ich dir zehn Cent.» Das Kind nickte. «Sage: ‹Die Mem hat
Nyamok-Bisse›», sie zeigte ihre Stiche; «er soll Salben zur Veranda bringen. Er
kann den Mems viele Salben und Pulver verkaufen. Geh hin! Wenn er mit den
Salben kommt, gebe ich dir zehn Cent.»
    Das Mädchen lief davon. Joan kehrte zur
Veranda zurück und wartete, bis der Chinese erschien. Er trug ein Brett voll
Tuben und Tiegeln, sprach mit dem Posten und bat ihn, seine Waren verkaufen zu
dürfen. Nach einigem Hin und Her ließ der Soldat ihn durch. Joan kaufte sechs
Tuben Linderungsmittel. Alles übrige setzte Chan Kok Fuan im Nu an die anderen
Frauen ab, und Halija bekam ihr Trinkgeld.
    Bald darauf brachte eine japanische
Ordonnanz zwei Eimer mit dünner Fischsuppe und einen halbvollen Eimer gekochten
Reis. Das Ganze sah unappetitlich und sehr unsauber aus; auch gab es weder
Löffel noch Eßgeschirr. Und es ging doch. Sie aßen, wie’s eben kam. Aber da sie
damals noch nicht die gute Sitte der Kriegsgefangenen kannten, brüderlich,
peinlich genau alles zu teilen, bekamen die einen reichlich, andere wenig und
manche gar nichts.
    Am Nachmittag wurden die Männer von
ihren Familien getrennt und mußten abmarschieren. Die Augen naß, riß sich Bill
von seiner Gattin, der mütterlich molligen Eileen, los, sagte schweren Herzens
Joan Lebewohl und: «Alles Gute! — Bleib bei ihnen, wenn du irgend kannst!» bat
er, und sie versprach es.
    «Wir kommen ja alle ins selbe Camp»,
hoffte sie.
    Die sieben Männer zogen unter Bewachung
ab.
    Der Frauentrupp bestand aus elf Ehefrauen
und zwei Ledigen: Joan und Ellen
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