Eine stuermische Braut
eines Menschen gestanden, mit dem sie ein Ausmaß von Vertraulichkeit geteilt hatte wie mit ihm, während ihr gleichzeitig bewusst war, dass ihre Feinde es darauf angelegt hatten, ihn zu töten.
Tief in ihrem Innern verspürte sie einen eisigen Schauder.
Linnet schüttelte den Kopf - als ob sie dadurch ihre drohende Panik loswerden konnte. Sie blickte Logan an; bestimmt hatte er ihren Schauder bemerkt. Unter den Falten ihres Umhangs schloss seine Hand sich warm um ihre und drückte sie sanft. Aber sonst gab er nichts zu erkennen, wofür sie dankbar war.
Sein Blick ruhte weiterhin auf Charles.
»Haben Sie Neuigkeiten von den anderen?«
Charles reichte ihr die Messer und Logan seinen Dolch zurück.
»Delborough ist in England«, antwortete Charles, während Linnet und Logan ihre Waffen wieder in die Stiefel steckten, »am zehnten des Monats ist er in Southampton gelandet. Offenbar hat es dort Ärger gegeben, aber er ist sauber rausgekommen und hat sich für mehrere Tage in London aufgehalten. Ich vermute allerdings, dass er inzwischen weitergezogen ist. Es sieht so aus, als sei er der Erste, der Royce erreichen wird. Hamilton befindet sich in Boulogne. Oder war jedenfalls vor ein paar Tagen dort. Wir erwarten, dass Royce uns über Hamiltons Landung benachrichtigt und dass er auf dem Weg zu ihm ist. Aber jede Botschaft wird eine Weile brauchen, bis sie uns hier unten erreicht hat.«
»Carstairs?«
»Wir haben nichts von ihm gehört. Aber das heißt nicht, dass Royce ebenfalls nichts gehört hat. Unser ehemaliger Kommandeur neigt dazu, uns nur das mitzuteilen, von dem er glaubt, dass man es unbedingt wissen müsse.«
»Wir haben gehört, dass er, also Dalziel, inzwischen Wolverstone ist.«
Charles nickte.
»All die Jahre während seines Militärdienstes war er Marquis of Winchelsea. Nicht dass wir es je gewusst hätten. Es handelt sich um eines dieser verdrehten Märchen, wie man sie sich nur über den englischen Adel erzählen kann.«
»Dessen ungeachtet ist sein Ruf legendär. Wie lange haben Sie unter seinem Kommando gedient?«
Logan und Charles fingen an, sich über Spionage während des Krieges auszutauschen. Linnets Gedanken schweiften wieder ab. Das stetige Rumpeln der Kutsche beruhigte sie, sodass sie den Blick auf die inzwischen schwarze Nacht draußen und auf den Wind richten konnte, der in den Bäumen am Straßenrand zerrte.
Als sie registrierte, dass keine eisige Zugluft in die Kutsche drang, schaute sie genauer hin und bemerkte trotz des dämmrigen Lichtes die ausgezeichnete Handwerkskunst und die luxuriösen Verzierungen. Sie befanden sich nicht einfach nur in einer Kutsche - sondern in einer sehr kostspieligen.
Höchstwahrscheinlich Charles’ Kutsche - die des Earls.
Gesellschaftlich hatte sie zwar nichts zu befürchten, aber sie hatte bereits genug über Charles’ Heldentaten gehört, hatte genug von ihm gesehen, um einschätzen zu können, dass er ein Mann genau wie Logan war. Ein Mann der Tat und des Abenteuers und zweifellos unendlich viel zufriedener damit, im Sattel seines Pferdes in eine Schlacht zu ziehen, als den Schönling im Salon irgendeiner Gastgeberin zu spielen.
Mit Charles und seinesgleichen konnte sie umgehen. Was ihr sehr gelegen kam.
Sie hatte zwar noch keine endgültige und wohldurchdachte Entscheidung gefällt, ob sie wegen ihrer Sicherheit und der Sicherheit der Menschen, die ihr anvertraut waren, überhaupt mit Logan reisen sollte - obwohl er beharrlich etwas anderes behauptete.
Und doch saß sie in der Kutsche.
Die Flucht aus dem Gasthaus und der Kampf in dem engen Hof hatte jeden weiteren Streit überflüssig gemacht. Seit sie den Sektenmännern Auge in Auge gegenübergestanden und gesehen hatte, wie Logan versuchte, sich gegen drei gleichzeitig zu verteidigen, hatte sie keinen Gedanken mehr daran verschwendet, sich wieder auf die Esperance zu begeben und nach Hause zu segeln. Noch nicht.
Bedachte man die eisige Angst, die sie in jenem schäbigen Hof empfunden hatte, bedachte man deren Nachhall, der sich immer noch aus ihren Muskeln verflüchtigte, aus ihren Knochen, würde sie mit Logan Weiterreisen und so lange bei ihm bleiben, bis seine Mission erfüllt war.
Nicht um ihrer Sicherheit willen. Sondern seiner.
Dass sie Kämpfen wie solchen im Hof - höchstwahrscheinlich die Sorte, von denen er im Zuge seiner Mission noch mehr erleben würde, wo auch immer in England er sie erfolgreich abschließen würde -, dass sie also bei solchen Kämpfen wie im Hof das
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