Eine stuermische Braut
anderen Waffen einzupacken und die verbliebenen Brandsätze zu verstecken. Ihr persönliches Gepäck reichten sie den Lakaien, die ausgeschwärmt waren, ihnen zu helfen.
Mit hochgezogenen Brauen beobachtete Linnet das Geschehen, drehte sich dann weg und folgte dem Lakaien über den breiten Bürgersteig zur Tür. Sie hatte bereits vom York House gehört; lange Zeit war es der bevorzugte Aufenthaltsort des Adels gewesen, der die Stadt besuchte. Sie ließ den Blick über die elegante Fassade schweifen und lächelte, als sie sich vorstellte, wie sie Jen und Gilly erzählte, Muriel und Buttons natürlich auch, dass sie hier eingekehrt war. Penny und Phoebe sei Dank würde ihre Garderobe wenigstens nichts zu wünschen übrig lassen.
Der Lakai an der Tür war vorausgeschritten, um die Tür aus schwerem, geätztem Messing mit poliertem Holzrahmen aufzuhalten, und bat sie mit hoheitsvollen Verbeugungen hinein. Ihre Lippen zogen sich noch ein wenig weiter nach oben, als sie in Richtung Tür glitt ...
Und das verräterische Sirren eines Pfeiles hörte.
Instinktiv duckte sie sich, krümmte sich zu einem kleineren Ziel zusammen, und ließ dann den Blick schweifen. Der Lakai erstarrte mit weit aufgerissenen Augen, huschte um die offene Tür herum und ging hinter der dicken Holzverkleidung in Deckung.
Der Lakai, der Linnet mit ihrem Gepäck in beiden Händen gefolgt war, stürzte krachend und nach Luft schnappend zu Boden. Vor Schreck hatte auch er die Augen weit aufgerissen und umklammerte einen Arm, in dem der Bolzen einer Armbrust steckte.
Linnet überlegte nicht lange, sondern handelte einfach. Sie hatte zu viele Schlachten geschlagen, um in Panik zu verfallen, war zu sehr Anführerin, um nicht sofort die Verantwortung an sich zu reißen.
In halb gebückter Haltung schlich sie zurück, schnappte die Tasche mit einer Hand und den unverletzten Arm des Lakaien mit der anderen und riss ihn hoch. Insgeheim dankte sie ihrem Schicksal, dass er nicht größer oder schwerer war als sie. Während noch mehr Pfeile auf sie herabregneten, nutzte sie den Reisesack als Rückendeckung für sich und den Lakaien, während sie den Mann durch die immer noch geöffnete Tür zerrte.
In der Halle hielt sie inne und ließ den Lakaien los, der auf den Bodenfliesen zusammenbrach. Linnet wandte sich zur Tür zurück, ging aber in Deckung, um nach draußen blicken zu können.
Der Türsteher wartete einen geeigneten Moment in dem Pfeilregen ab und schlüpfte ins Innere des Gebäudes. Obwohl er so erschüttert war, dass er seine starre Haltung verloren hatte, rief er um Hilfe für seinen Lakaien, befahl den anderen, die Fenster abzusichern, und schaffte es dann endlich, sich hinter Linnet zu stellen und ihr über die Schulter zu linsen, während sie die Szenerie beobachtete.
»Sonst ist niemand getroffen«, murmelte sie ebenso für sich wie für den Türsteher bestimmt. Logan hatte sich in der Kutsche befunden, musste aber heruntergesprungen und auf dem Weg gewesen sein, ihr zu helfen, als sie gehandelt und sich selbst aus der Gefahr gebracht hatte. Er selbst war auf seiner Seite hinter der geöffneten Kutschentür in Deckung gegangen und in gewissem Maße auch durch die massige Kutsche geschützt. Deverell war drinnen gewesen, war jetzt immer noch drinnen und arbeitete wie verrückt. Linnet beobachtete, wie er Logan ein Gewehr reichte, dann noch eins.
Logan blickte zum hinteren Teil der Kutsche. Rief nach Charles, der das Gewehr entgegennahm und wieder seinen Platz in der entfernten rückwärtigen Ecke der Kutsche einnahm.
Noch immer regnete es in unvorhersehbaren Abständen Pfeile, die oben von einem Gebäude ein kleines Stück weiter die Straße hinauf zu stammen schienen. Linnet sah, wie sämtliche Lakaien sich inzwischen am hinteren Teil der Kutsche zusammenquetschten und sehnsuchtsvoll zur Hoteltür schauten. Blieb nur noch David - aber wo steckte der? War er getroffen worden? Konnte es sogar sein, dass er im Sterben lag?
Aber dann entdeckte sie einen Schatten unter der Kutsche, direkt unter dem Kutschbock, und wusste, dass er dort in Deckung gegangen war. Soweit sie es einschätzen konnte, war er unverletzt, eben nur vorübergehend in eine Enge gezwängt.
Erleichterung durchfuhr sie. Zwar kannte sie David nicht länger als nur diesen einen Tag lang, überwiegend nur als Stimme und als jemanden, der anwesend war und die Pferde lenkte; aber doch empfand sie ihn als jemanden, der fest zu ihrer kleinen Truppe gehörte. Sie konzentrierte
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