Eine Stuermische Nacht
einem liebevollen Ausdruck in den blauen Augen Emily in die Arme gezogen und sie an sich gedrückt. Sie hatte ihr zu ihrer bevorstehenden Vermählung gratuliert und sich bei ihr untergehakt und ihr vertraulich zugeflüstert:
»Meine Güte! Es waren wirklich aufregende Wochen, die hinter dir liegen, nicht wahr? Und jetzt musst du mir alles über Joslyn erzählen. Ich höre, er ist ganz groß und dunkel, nicht unbedingt gut aussehend. Und er soll ein ganz seltsames Englisch sprechen.«
Emily unterdrückte ein Lachen und bemühte sich, ihrer Tante Barnaby zu erklären – besonders den weichen Virginia-Akzent, der nicht zu überhören war. Nachdem Althea Cornelia im Foyer begrüßt hatte, brachte Emily sie nach oben in das Zimmer, das ihrer Tante während ihres Aufenthalts im Hause zur Verfügung stand. Es war derselbe Raum, den Barnaby vor nur wenigen Stunden benutzt hatte, und Emily stellte erleichtert fest, dass Walker und Jane alle Spuren der früheren Verwendung entfernt hatten. Es gab sogar einen großen Strauß fröhlicher Narzissen auf einem kleinen Tischchen am Fenster. Althea war bezaubert.
Da seine Mutter zu Besuch und er sich des Umstands bewusst war, dass er keine Verbündeten im Haus besaß, war Jeffery die Verbindlichkeit in Person. Er hieß Anne willkommen, grüßte seinen Bruder mit einem herzlichen Lächeln und verwöhnte seine Mutter. Seine Aufmerksamkeit Althea gegenüber war so auffällig, besonders im Vergleich zu seiner sonstigen Gleichgültigkeit, dass sie ihn, als er sie fürsorglich zu dem Grünen Salon geleitete, anschaute und verwundert fragte:
»Mein Lieber, geht es dir nicht gut?«
Hugh und Cornelia waren vorausgegangen, aber Emily und Anne folgten Jeffery und seiner Mutter, sodass sie die Frage mitbekamen und in Gelächter ausbrachen. Althea, die ihr Lachen noch weniger verstehen konnte, schaute sie an.
»Was ist?«, wollte sie wissen.
»Euch ist doch sicherlich auch aufgefallen, dass er sich völlig anders benimmt als sonst.«
Als Anne und Emily nur hilflos den Kopf schüttelten, wandte sie sich an Jeffery und murmelte:
»Ich denke, die nahende Hochzeit macht alle ein wenig albern.«
Jeffery warf den beiden jungen Frauen einen mörderischen Blick zu, aber dann sagte er mit einem gütigen Lächeln zu seiner Mutter:
»Ich glaube, du hast recht. Wir alle sind aufgeregt und albern vor Glück. Man denke sich nur, unsere süße Emily wird Viscountess!«
Am Sonntag, nach dem dritten und letzten Verlesen des Aufgebots, musste Barnaby mit Emily an seinem Arm und einem großen leuchtend rot-bläulichen Fleck auf der Stirn fast so etwas wie ein Spießrutenlaufen hinter sich bringen, so sehr drängten sich die Leute um sie. Alle wollten ihnen Glück wünschen und waren entsetzt über die Verletzung; diejenigen, die zu bohrende Fragen bezüglich der Umstände seines Unfalls stellten, wehrte er geschickt ab. Nach dem Gottesdienst gelang es Barnaby, indem er immer wieder erwähnte, wie froh er über die überraschende Ankunft seines Halbbruders Lucien sei, gleich zwei Dinge auf einmal zu erreichen: das Interesse von seinem Sturz abzulenken und Lucs Anwesenheit bei der Hochzeit zwei Tage später zu erklären. Sein Bruder, fügte er ernst hinzu, konnte an diesem Morgen nicht kommen, weil er sich noch von einem schweren Fieber erholte, das er sich bei seinen Reisen auf dem Kontinent zugezogen hatte. Man hoffte aber, dass es ihm gut genug gehen würde, an der Hochzeit teilzunehmen.
An dem Abend fand auf Windmere eine kleine Dinnergesellschaft statt, bei der die Gäste, lauter Familienmitglieder bis auf den Vikar und seine Gattin, taktvoll Barnabys blauen Fleck übergingen. Wenn irgendjemand Zweifel hatte, dass ein Sturz vom Pferd die Ursache war, waren sie zu höflich, das auszusprechen.
Luc war nicht mit in die Kirche gekommen, aber zum Dinner erschien er und sah, abgesehen von seiner Magerkeit und der fahlen Gesichtsfarbe, außerordentlich gut aus, während er vorgestellt wurde und sich elegant über die Hände der Damen beugte. Es war nicht genug Zeit gewesen, ihm passende Kleidung zu besorgen, aber niemandem fiel auf, dass er hastig geänderte Sachen von Barnaby trug.
Lucs Unehelichkeit allein würde ausreichend Gerede verursachen, und seine unerwartete Ankunft steigerte die Neugier auf ihn noch, aber das war nun einmal nicht zu ändern. Aus der Einsicht heraus, je eher Luc die Bekanntschaft der Gesellschaft vor Ort machte, desto besser, hatte Barnaby vorgeschlagen, dass sein Halbbruder
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