Eine Stuermische Nacht
hier nahezu uneingeschränkt schaltet und waltet. Die Zolloffiziere und Behörden versuchen schon seit Jahren, ihr das Rückgrat zu brechen, aber bislang vergebens. Beinahe jeder im Umkreis von ein paar Meilen hier und auch Monks Abbey gehört entweder zur Bande oder ist mit einem Mitglied verwandt. Oder fürchtet sie.«
Thomas nahm einen Schluck von seinem Portwein.
»Man erzählt sich, sie hätten einen reichen Londoner im Rücken, der es ihnen ermöglicht, sich die größten Brocken auf dem Schmuggelmarkt zu sichern. Die Menge Schmuggelware, die sie umsetzen, soll phänomenal sein.«
Mathew nickte bestätigend.
»Dass sie seit sechs bis acht Jahren einen reichen Finanzier im Hintergrund haben, ist beileibe kein Geheimnis. Davor waren Will Nolles und seine Kumpane nicht mehr als jede andere Schmugglerbande in der Gegend. Aber seit sie Geld in der Hinterhand haben, sind sie sehr mächtig geworden – eine Macht, der man besser gehorcht und die allseits gefürchtet ist.«
»Es scheint mir, wenn es gelingt, ihren … äh Förderer auffliegen zu lassen, wäre das Problem gelöst«, erklärte Barnaby.
»Ja, natürlich, aber niemand scheint irgendetwas über ihn zu wissen – er ist wie ein Gespenst.« Mathew wirkte irgendwie niedergeschlagen.
»Und unseligerweise versorgt er die Nolles-Bande mit den Mitteln, immer größere Ladungen Schmuggelgut zu erwerben und mehr Männer anzuheuern, was ihnen mehr Einfluss und Macht verschafft.« Mathew seufzte.
»Die Zollfahndung zahlt so schlecht, dass viele der Männer, die eigentlich hier stationiert sind, um dem Schmuggel ein Ende zu setzen, gerne bereit sind, Bestechungsgelder zu nehmen und ein angenehmes Leben zu führen, indem sie einfach ignorieren, was direkt unter ihren Nasen geschieht.«
»Schmuggel ist einfach eine Art Tradition an der Küste – besonders hier in Sussex und Kent«, stellte Simon in trockenem Ton fest.
»Du wirst dich schwertun, irgendwen zu finden, der nicht auf die eine oder andere Weise damit zu tun hat.« Er hob eine Braue.
»Wusstest du, dass vor Jahrzehnten einmal einer unserer weniger illustren Vorfahren ein Schmuggler war?« Er grinste.
»Es heißt, der Großteil des Familienvermögens stamme aus seiner findigen Nutzung der Tunnel und Keller unter Windmere . Der Legende nach hat er dort gewaltige Mengen Schmuggelgut gelagert, bis es sicher war, die Sachen nach London zu schaffen.«
Barnaby setzte sich auf.
»Tunnel? Unter Windmere ?«
»Das alte Gemäuer ist voll davon«, erwiderte Simon.
Thomas lachte leise.
»Als wir noch Kinder waren, haben Matt, Simon und ich immer in ihnen gespielt, wenn wir zu Besuch hier waren. Es war unser Lieblingsplatz – wir haben so getan, als seien wir gefährliche Schmuggler. Miss Townsend, Faith Gilbert und Miss Broadfoot und ab und zu sogar Jeffery Townsend waren auch dabei. Es gab noch ein paar andere, aber ihre Namen wollen mir im Moment einfach nicht einfallen. Es war jedenfalls ein riesiger Spaß, das kann ich dir sagen.«
Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen erklärte Mathew:
»Oh Himmel, was für einen Spaß hatten wir damit, die kreischenden Mädchen zu jagen oder ihre Beschützer zu spielen gegen die schändlichen Schmuggler.«
»Also ist es etwas völlig Normales, so etwas wie die Nolles-Bande in der Nähe zu haben?«, wollte Barnaby wissen und machte sich im Geiste einen Vermerk zu den Tunneln.
Simon schüttelte den Kopf.
»Der meiste Schmuggel wird von kleinen Gruppen durchgeführt, meistens arme Fischer, die damit ihre Familien ernähren, aber die Nolles-Bande – mit denen ist nicht zu spaßen. Sie sind wirklich übel.«
»In der Tat. Ich habe Gerüchte gehört, dass es hier in der Gegend seit ein paar Jahren noch eine kleine Schmugglerbande gibt«, sagte Thomas. Und mit beinahe etwas wie Genugtuung fügte er hinzu:
»Aber nicht mehr lange – Will Nolles und seine Freunde werden dafür sorgen. Sie dulden keine Konkurrenz … egal welche.« Er schaute zu Mathew.
»Erinnerst du dich noch? Vor vier oder fünf Jahren, als sie …«
»Ich denke nicht, dass wir unseren Cousin mit Geschichten von dem Treiben gewalttätiger Verbrecher ergötzen müssen«, stellte Mathew fest.
Barnaby hätte sehr gerne mehr über diese Nolles-Bande erfahren, und das hatte zu einem nicht geringen Teil damit zu tun, dass nicht auszuschließen war, dass sie für Emily und die Gilberts eine Gefahr darstellten. Am liebsten hätte er weitergefragt, aber er beschloss, es sei besser, nicht zu viel
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