Eine Stuermische Nacht
jeder, der sich ihm entgegenstellt, ein unseliges Ende erleidet.«
»Hört sich nicht nett an, dieser Nolles«, bemerkte Barnaby.
»Jedenfalls niemand, den man auf die leichte Schulter nehmen sollte, wenn man den Gerüchten glaubt.«
Barnaby nahm einen langen Schluck von seinem Brandy.
»Ich denke«, erklärte er leise, während er den Schwenker auf das Kaminsims stellte, »dass ich mir wohl selbst ein Bild davon machen muss, ob ich den Ram’s Head ebenso reizvoll finden kann wie die Krone .«
Lamb, dem Barnabys Gesichtsausdruck nicht gefiel, erwiderte:
»Habe ich schon erwähnt, dass mehrere Mitglieder der Bande regelmäßig im Ram’s Head anzutreffen sind, und dass Nolles sich selten ohne ein halbes Dutzend von ihnen in seiner unmittelbaren Umgebung blicken lässt?«
Barnaby zuckte die Achseln.
»Ich bezweifle, dass sie mich mitten am Tag in aller Öffentlichkeit angreifen.«
»Ich mache mir weniger Sorgen, dass sie dich angreifen könnten, als dass du ein Handgemenge anzettelst, weil du meinst, deine Amazone und die Gilberts verteidigen zu müssen.«
Barnaby setzte eine Unschuldsmiene auf.
»Was für eine alberne Vorstellung – als ob ich mich zu etwas derart Vulgärem herablassen würde wie eine Wirtshausschlägerei!«
»Aber als Mitglied der Aristokratie«, fuhr er fort, »und derjenige mit dem meisten Landbesitz der Gegend ist es meine Bürgerpflicht nachzusehen, ob die Gerüchte stimmen, dass ein ruchloser Schurke wie Nolles einfach die Gesetze missachtet.«
»Ich nehme an, ich kann dich nicht davon überzeugen, dass es unklug wäre, Nolles gegen dich aufzubringen?«
Betont gelangweilt betrachtete Barnaby seine Fingernägel.
»Aufbringen? Wie kommst du nur auf solche Gedanken?«
Lambs Augen wurden schmal. Er kannte diese gelangweilte Miene, und sie verhieß nichts Gutes. Egal, was er sagte, es würde Barnaby nicht davon abhalten, in den nächsten Tagen zum Ram’s Head zu reiten … und zweifellos, dachte er erbost, dort Unruhe zu stiften.
»Himmel«, fluchte Lamb, »dann lass mich wenigstens mit dir kommen.«
Barnaby lächelte versonnen.
»Aber natürlich. Sicherlich hast du nicht allen Ernstes geglaubt, ich sei dumm genug, meinen Kopf ohne dich an meiner Seite in die Höhle des Löwen zu stecken?«
Kapitel 7
Emily hoffte, sie und Anne könnten zu Hause ankommen, ohne Jeffery oder Mr Ainsworth zu begegnen, aber ihr Glück ließ sie im Stich. Kaum war die Joslyn-Kutsche vor dem alten Herrenhaus zum Stehen gekommen, als Jeffery todesmutig den Regen missachtend neben der Kutsche erschien und schwungvoll den Kutschenschlag öffnete.
Lächelnd schaute er hinein. Sein Lächeln verschwand jedoch, als er erkannte, dass es innen nur zwei Insassen gab, Emily und Anne. Ärgerlich fragte er:
»Hat Lord Joslyn euch nicht nach Hause gebracht?«
»Nein«, antwortete Emily und stieg aus, dicht gefolgt von Anne. Mit Jeffery auf den Fersen eilten die beiden Frauen ins Haus.
Innen empfing sie Walker, der Butler der Familie, und nahm ihnen geschickt die wieder nass gewordenen Umhänge ab und deutete auf die Tür zu dem kleinen Blauen Salon, wo sie, wie er sagte, ein warmes Feuer und eine schöne Kanne Tee erwartete. Mit einem verschmitzten Funkeln in seinen blauen Augen flüsterte er Emily zu:
»Ihre Großtante brennt darauf, bis ins letzte Detail alles über Ihre Zeit bei Lord Joslyn zu erfahren.« Er räusperte sich.
»Sie wissen, wie sehr sie die Familie schätzt.«
Emily musste sich ein Lachen verkneifen.
»Ja, ich erinnere mich daran, etwas in der Richtung gehört zu haben.«
Cornelia war nicht die Einzige, die im Salon auf sie wartete. Lässig an den Kamin aus cremefarbenem Marmor gelehnt stand Mr Ainsworth.
An ihm war nichts in irgendeiner Weise Bemerkenswertes. Er war weder groß noch klein, weder dünn noch dick, und wenn auch nicht ausgesprochen gut aussehend, so war er auch nicht unattraktiv. Seine Augen waren von einem klaren Grau, sein Haar wies ein helles Braun auf, und sein Körperbau war weder muskulös noch schlaff, sondern irgendetwas dazwischen. Er war Emilys Ansicht nach in keiner Weise erinnerungswürdig – und sie sehnte sich nach dem Tag, an dem er nicht mehr war als eine blasse Erinnerung – die man am liebsten möglichst rasch und gründlich vergessen würde.
Ordentlich in einen dunkelblauen Rock gekleidet, in taubengraue Hosen und schwarze Ziegenlederschuhe mit Absätzen hob er sein Monokel und beäugte die Damen, als sie ins Zimmer kamen. Als sein Blick auf sie
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