Eine Stuermische Nacht
hat. Ihm ist aufgefallen, dass die Joslyn-Jacht nicht an ihrem Anlegeplatz war. Sagte, sie sei mehrere Tage nicht da gewesen. Selbstverständlich dachte ich, davon müsste Mathew unterrichtet werden.«
»Selbstverständlich«, sagte Barnaby und dachte bei sich, dass ihm Simons Respektlosigkeit wesentlich lieber war als Thomas’ selbstgerechte Erzählweise.
»Wie du sicher weißt«, begann Mathew vorsichtig, »ist es nicht gerade die Jahreszeit, zu der man Segeltörns unternimmt. Thomas hat sich Sorgen gemacht, du wärest vielleicht mit dem Boot aufs Meer hinausgefahren und …«
»Ertrunken?«, fragte Barnaby spöttisch, der nicht weit von Simon saß.
Simon kicherte hämisch, und Mathew wirkte peinlich berührt.
Thomas starrte Simon finster an.
»Musst du immer den Narren spielen?«
Als Simon Anstalten machte, darauf etwas zu antworten, wandte Barnaby den Kopf und hielt ihn mit einem Blick davon ab. Leicht verlegen ließ sich Simon tiefer in seinen Stuhl sinken. »Lieber ein Narr als eine zimperliche alte Jungfer«, murmelte er leise in seinen Brandy, sodass nur Barnaby ihn verstand.
Barnaby stimmte Simon zu, und ihm war auch nicht entgangen, dass sie sich in zwei Lager aufgeteilt hatten. Am einen Ende des Kamins standen Thomas und Mathew praktisch Schulter an Schulter, und er und Simon saßen am anderen Ende. Jeder, der hereinschaute, würde annehmen, Simon sei auf seiner Seite. … Durfte er es wagen, Simon zu vertrauen?
»Ich kann nicht so tun«, erklärte Mathew durch zusammengebissene Zähne, »als ob mir dein Tod nicht zum Vorteil gereichen würde. Oder dass ich an deinem Grab Tränen vergießen würde, aber … alles, was recht ist! Trau mir nicht immer gleich das Schlimmste zu.« Mathew holte tief Luft und zügelte sein Temperament.
»Nachdem ich wusste, dass die Jacht nicht da war, wo sie sein sollte, schien es mir angemessen nachzusehen, wie es dir geht … und ob alles mit der Jacht in Ordnung ist. Da Simon ohnehin bei mir auf Monks Abbey war, als Tom mir die Neuigkeit überbracht hat, schien es uns vernünftig, wenn wir alle kommen. Keiner von uns«, fügte er scharf hinzu, »ist als Geier hier aufgetaucht.« Seine blauen Augen blitzten wütend, als er feststellte:
»Und ich verwahre mich gegen die Unterstellung, dass es anders sei.«
Barnaby glaubte ihm. Sein Cousin war aufrichtig empört über die Vorstellung, dass Barnaby ihm zutraute, sich über den Tod eines anderen Mannes zu freuen – selbst wenn er ihn nicht gemocht hatte. Mathew würde ihm offen gegenübertreten, in einem fairen Kampf. Davon war Barnaby überzeugt.
»Davon spreche ich dich frei«, erwiderte Barnaby ruhig, »und ich entschuldige mich, dass ich angedeutet habe, dein Tun sei irgendetwas anderes als das eines Ehrenmannes.«
»Danke«, entgegnete Mathew steif.
»Wusstest du das schon von der Jacht?«, fragte Simon und musterte Barnaby eindringlich.
Barnaby erwog kurz, ihnen die Wahrheit zu erzählen über die Ereignisse der Nacht, in der er aus dem Ärmelkanal gerettet worden war, entschied sich dann aber aus verschiedenen Gründen dagegen. Bis auf eine Handvoll Leute wusste niemand davon, und dabei wollte er es am liebsten belassen. Allein schon der Gedanke, erklären zu müssen, warum er und andere über den Grund seiner Unpässlichkeit gelogen hatten, ließ ihn zusammenzucken. Schlimmer noch, wenn man Emily und Anne Glauben schenkte, so hatte seine bloße Anwesenheit auf Windmere schon genug Gerede verursacht. Die Nachricht, dass er knapp dem Tode entronnen war, würde in der Gegend das Tagesgespräch sein, und darauf konnte er wahrlich verzichten, danke sehr.
Barnaby verwob das, was seiner Ansicht nach geschehen sein musste, mit einer Geschichte, die er sich ausdachte:
»Die Jacht war letzten Dienstag vor zwei Wochen in Eastbourne, als ich auf der Durchreise dort haltgemacht habe. Wenn sie jetzt verschwunden ist, dann muss es danach geschehen sein.«
Simon erwiderte nachdenklich:
»Ich wette, es ist diese verfluchte Nolles-Bande.« Er schüttelte den Kopf.
»Und wenn sie die Jacht gestohlen haben, dann liegt sie höchstwahrscheinlich inzwischen auf dem Grund des Kanals … oder ist so verändert, dass wir sie nie wiedererkennen würden.«
Barnaby wusste sehr gut, dass sie sich tatsächlich auf dem Meeresboden befand.
»Die Nolles-Bande?«, erkundigte er sich. »Das ist jetzt das zweite Mal, dass ich diesen Namen höre. Wer ist das?«
Mathew seufzte.
»Es handelt sich um eine üble Schmugglerbande, die
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