Eine Stuermische Nacht
dahinterkommt, was wir vorhaben, und es Jeffery oder Ainsworth verrät.« Emily nagte an ihrer Lippe.
»Wir werden jemanden abstellen müssen, der ein Auge auf sie hält«, sagte sie, »während wir Annes Sachen umräumen.«
Aber das Glück war ihnen hold – beiden Dienern war der Nachmittag freigegeben worden, und keine halbe Stunde, nachdem ihre Herren weggeritten waren, hatten auch die beiden Diener das Anwesen verlassen.
Nachdem die Luft rein war, machten sich alle an die Arbeit. Agatha, Cornelias langjährige Zofe, war unten geblieben, um Alarm zu schlagen, falls die Herren oder ihre Kammerdiener zurückkehrten. Trotz der geringen Zahl von Helfern waren Annes Habseligkeiten mitsamt ihrem sperrigen Mahagoni-Schrank und einer hohen Kommode über den Flur von ihrem in Emilys Zimmer geschafft worden, und das in nicht mehr als ein paar Stunden. Nachdem die schwere Arbeit getan war, begaben sich die anderen Dienstboten wieder an ihre Arbeit; nur Sally blieb.
Während Anne ihre Kleidung zusammenlegte und in die Schubladen der Kommode tat, die nun neben einem ganz ähnlich aussehenden Möbelstück von Emily stand, sagte sie:
»Dem Himmel sei Dank, alles ist gut gegangen. Ich hatte entsetzliche Angst. Wie hätten wir erklären sollen, was wir vorhaben, wenn wir entdeckt worden wären?«
Emily, die Sally half, ein paar von Annes Kleidern in den Schrank zu hängen, antwortete über ihre Schulter:
»Denk nicht darüber nach. Es ist nichts geschehen, und allein darauf kommt es an.«
Cornelia nickte.
»Daran habe ich keinen Zweifel. Das Schicksal war …«
Die sich öffnende Tür ließ sie verstummen. Alle vier Frauen schauten beunruhigt in die Richtung. Alle atmeten erleichtert auf, als sie merkten, dass es nur Agatha war.
Sich des Umstands bewusst, dass ihr plötzliches Auftauchen alle erschreckt hatte, schlüpfte Agatha rasch ins Zimmer und rief dabei:
»Oh, es tut mir ja so leid. Ich wollte niemandem Angst machen.« Sie schloss die Tür hinter sich und erklärte.
»Bei all dem, was vor sich geht, habe ich schlicht vergessen anzuklopfen.«
Agatha Colby hatte vierzig Jahre von den vierundfünfzig, die sie inzwischen zählte, in Cornelias Diensten gestanden; in dieser Zeit war sie von einer persönlichen Bediensteten zu einer lieben Vertrauten aufgestiegen. Sie war eine schmächtige Frau mit sanften blauen Augen und dunklem Haar, das nun allerdings an vielen Stellen von Silbersträhnen durchzogen war. Es gab keine Geheimnisse in der Townsend-Familie, in die sie nicht eingeweiht war, und ihre Ergebenheit der Familie gegenüber war so stark, wie sie still war.
»Denk nicht weiter daran«, sagte Emily, ohne den Blick von der Tür zu nehmen, »jetzt sind wir auf eine Vorsichtsmaßnahme aufmerksam gemacht worden, die wir längst hätten bedenken sollen.« Sie reichte das Gewand, das sie gerade in den Händen hielt, an Sally weiter und durchquerte das Zimmer, dann drehte sie den Schlüssel vorsichtig im Schloss herum. Sie sah die anderen wieder an und erklärte.
»Von nun an bleibt diese Tür abgeschlossen – es mag uns nur eine kurze Vorwarnung geben, aber die werden wir bitter nötig haben.«
Nur die Damen saßen an diesem Abend beim Dinner; sie nahmen die Mahlzeit in angespannter Stimmung ein, zuckten bei jedem Geräusch zusammen und rechneten jede Sekunde mit Jefferys und Ainsworths Rückkehr. Als es dann immer später wurde, ohne dass es einen Hinweis darauf gab, dass die Herren bald heimkehrten, zogen sich die Damen dankbar für die Galgenfrist zur Nacht zurück.
Emily und Anne wünschten Cornelia eine gute Nacht und gingen dann in Emilys Schlafzimmer. Emily schloss die Tür hinter ihnen ab. Damit noch nicht zufrieden, fasste sie nach einem Stuhl und klemmte ihn unter die Klinke.
Anne starrte den Stuhl einen Moment lang an, dann seufzte sie, nahm ihr Nachthemd und verschwand hinter dem blauen Seidenparavent in einer Zimmerecke.
Begleitet vom Rascheln von Annes Kleidern, als sie sich umzog, ging Emily im Zimmer umher und betrachtete die Veränderungen. Sie musste lächeln, als ihr Blick auf die beiden Kommoden fiel, die wie Zwillinge nebeneinander an der Wand standen. Es war eng, aber wenigstens mussten sie nicht über Möbel klettern, um zur Tür zu gelangen.
Obwohl sie mit der Arbeit des Nachmittags zufrieden war, wusste sie, ihre Vorkehrungen waren bloß ein erster Schritt und bestenfalls vorübergehend wirksam. Der einzige Vorteil, den sie hatten, war, dass sie wussten, was Jeffery und Ainsworth
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