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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lebensgefährlich, aber sie fesselten Dahlmann mindestens zehn Tage an das Klinikbett, ehe er zur ambulanten Weiterbehandlung entlassen werden konnte. Vor allem sollte er gründlich geröntgt werden … sicherheitshalber wegen der Wirbelsäule, des Beckens und der inneren Organe.
    »Zehn Tage … das reicht …«, sagte Luise, als Sanden auflegte. »Wir nehmen den ersten Zug … noch diese Nacht.«
    Am Nachmittag besuchten sie Ernst Dahlmann. Er schlief nach einer Morphiuminjektion, die man ihm wegen der großen Schmerzen im Brustkorb gegeben hatte. Luise öffnete für drei Sekunden die Augen, um ihn anzusehen. Er lag bleich in den Kissen, das schöne, auf Frauen wirkende Gesicht etwas verzerrt.
    »Schwester …«, sagte sie, als sie sich wieder umwandte, »sagen Sie bitte meinem Mann, wenn er wieder wach ist, daß ich hier war. Morgen und übermorgen kann ich nicht kommen, weil ich nach Münster zu Professor Bohne fahre. Meine Augen tränen, ich muß sie nachsehen lassen.«
    »Ich werde es bestellen, gnädige Frau«, sagte die junge Stationsschwester. Und dann, um etwas Tröstendes zu sagen, wie es alle Angehörigen von Kranken erwarten: »Sie brauchen gar keine Angst zu haben … die Verletzungen sind Gott sei Dank nicht schwer.«
    Luise nickte. Sanden führte sie hinaus. Er wußte, daß es der erste und letzte Besuch gewesen war. Wenn Dahlmann aus dem Krankenhaus entlassen wurde, fand er eine veränderte Situation vor … eine sehende Luise Dahlmann, die ihre Entscheidung gefällt hatte.
    Fräulein Pleschke, die brav den ganzen Nachmittag über in der Wohnung gewartet hatte, wurde beurlaubt und weggeschickt. Sie war glücklich darüber, denn sie brauchte einige Tage Urlaub. Ihr Lehrerstudent hatte von seinem Bundeswehrkonkurrenten erfahren und befand sich in einem Zustand erregter Eifersucht. Da war es besser, zu verreisen und aus der Nähe eines Vulkans zu kommen.
    Mit dem Nachtzug fuhren Luise und Robert Sanden nach Süden. Luise hatte ihre Augen mit Watte abgedeckt und mit Leukoplast verklebt. Trotz der dunklen Brille, die sie darüber trug, sah jeder ihre Tragik. Es war gut, daß sie die mitleidigen Blicke nicht bemerkte … sie hätte es nicht mehr ertragen.
    *
    Dr. Saviano war der erste, der Luise untersuchte. Er sah nur in ihre Pupillen und schwieg dann. Aber dieses plötzliche Schweigen war deutlich genug. Luise atmete ein paarmal tief und zwang sich, gerade und aufrecht und mit festen Schritten hinüber in die Räume Professor Siris zu gehen. Wieder saß sie in dem großen, mit Geräten und Maschinen vollgestopften Raum, hockte auf dem alten Sessel und blickte in das scharfkantige Greisengesicht Professor Siris.
    »Was machen Sie bloß, signora …«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Was nutzen die besten Operationen, wenn Sie unvernünftig sind?! Was habe ich Ihnen damals gesagt? Erinnern Sie sich noch?!«
    »Keine Aufregungen, keine Überanstrengungen … ich weiß es noch, Herr Professor …«
    »Und was haben Sie getan?! Reden Sie nicht … ich lese ja alles an Ihren Augen ab. Augen lügen nicht, nicht bei mir!«
    Professor Siri schob eines seiner Geräte, das auf lautlosen Rollen lief, heran und richtete einen Lauf, wie den Lauf einer übergroßen Pistole, auf das linke Auge Luises. Dann schaltete Dr. Saviano das Licht aus … aus der Dunkelheit heraus schoß ein gebündelter Lichtstrahl in das Innere des Auges. Professor Siri hockte vor einem langen Objektiv. Es war, als könne er jetzt bis tief in das Vorderhirn blicken.
    Ebenso plötzlich erlosch der Lichtstrahl wieder. Die normale Deckenbeleuchtung flammte wieder auf. Luise schloß die Augen.
    Das Urteil, dachte sie. Nun kommt mein Urteil.
    Professor Siri gab seiner Apparatur einen Tritt … sie rollte weg und blieb einen Meter entfernt stehen. Er räusperte sich und steckte die Hände in die Taschen seines Kittels.
    Luise umklammerte die Lehne des alten Sessels, auf dem schon so viele gehört hatten, wie ihr ferneres Leben aussehen würde.
    »Sagen Sie die Wahrheit, Herr Professor …«, sagte sie leise, aber tapfer. »Bitte … die Wahrheit –«
    Professor Siri blickte kurz zu Dr. Saviano, als müsse er von dort die Bestätigung holen, daß er das sagen könne, was er sagen mußte. Es war eine Sekunde des Zögerns, die Luise Dahlmann ins Herz schnitt.
    »Sie haben Ihre Augen überanstrengt –«, sagte Siri endlich. Luise nickte.
    »Ja.«
    »Sie haben meinen Rat nicht befolgt, in der ersten Zeit nur in Abständen von Stunden die Brille

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