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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wichtiger … es ist eine Täuschung! Sehen können – das ist das wirkliche Geschenk Gottes! Man sollte es nicht wegwerfen für Dinge, die vergänglich sind …«
    Luise nickte stumm. Ich werde wieder blind sein, dachte sie nur. Zwar freiwillig, aber welch ein Unterschied ist es schon? War es bisher schon unmenschlich schwer, sehen zu können und als Blinde zu gelten … um wieviel schwerer ist es nun, sehen zu können und blind sein zu müssen! Drei Monate lang wieder die ewige Nacht … und dann Tage und Wochen in Dämmerung, die sich langsam auflöst, heller und heller wird, bis die Blumen ihre Farbe wieder haben und die Gegenstände ihren Glanz. Und dann immer noch die Ungewißheit: Wird es bleiben, sind die Nerven nun erholt … oder kommt wieder die entsetzliche Feststellung, daß ein Sonnentag plötzlich trüb wie im Herbst wird und die Blüten ihre Farben verlieren und im Grau versinken …?
    Und dann Ernst Dahlmann! Drei Monate weiter an seiner Seite? Drei Monate, nun wieder blind und hilflos, ausgeliefert seiner schmeichelnden Gemeinheit, seinen Plänen, die er einhüllt in Zärtlichkeit, seiner Teufelei im Gewand eines Liebhabers?! Es war nicht möglich! Es überstieg einfach die menschliche Kraft. So sicher, wie sie jetzt drei Monate lang wieder durch ihre Welt sich tasten mußte, so sicher war die Fälligkeit einer Entscheidung gleich nach ihrer Rückkehr.
    Noch einmal wollte sie sehen … einen Tag lang … Alle sollten es wissen … zwischen Freude und Entsetzen würden vierundzwanzig Stunden des großen Aufräumens abrollen … und dann war sie bereit, wieder zurück in die Nacht zu gehen, befreit von allem, was bisher ihr Leben gewesen war. Ein Irrtum, der zur Sünde geworden war.
    Professor Siri hob die Hand. Es war, als habe er ihre Gedanken erraten.
    »Sie werden ab sofort die Augenklappen bekommen, signora …«, sagte er eindringlich. »Und ich beschwöre Sie: Nehmen Sie sie nicht ab. Nicht für eine Stunde! Sie wissen nicht, wie gefährlich Licht sein kann!«
    »Ich … ich werde gehorchen, Herr Professor …«, sagte Luise mit fester Stimme. Professor Siri nickte, obgleich er wußte, daß sie log. Mehr als warnen konnte er nicht.
    Er gab Luise Dahlmann beide Hände, wollte noch etwas sagen, etwas Ermahnendes, Eindringliches, aber dann verzichtete er darauf, weil er wußte, daß eine Frauenseele nur bis zu einem gewissen Grad ansprechbar war. Wo Gefühle das Handeln einer Frau bestimmten, waren Logik und Überzeugungsversuche ein verschenkter Luxus. So sagte er nur: »Alles Gute, signora. Wir sehen uns wieder, wenn alles an Ihren Augen in Ordnung ist …«, drehte sich um und verließ schnell sein Untersuchungszimmer. Dr. Saviano löste sich aus dem Hintergrund, in dem er still und fast unbeweglich gewartet hatte.
    »Nun wissen wir es …«, sagte er gepreßt.
    »Ja –«
    »Bitte setzen Sie sich, signora.«
    »Schon jetzt …« Helle Angst schwang in ihrer Stimme. Sie sah sich um. Das Zimmer war abgedunkelt … aber hinter den Gardinen leuchtete der helle Tag, wiegten sich die schlanken Spitzen der Zypressen im Wind und erholten sich unter dem breiten Astdach der Pinien die Eselstreiber von der Mittagshitze.
    Luise senkte den Kopf. Ihre Stimme klang kindlich.
    »Darf … darf ich nicht noch einmal aus dem Fenster sehen …?«
    »Nein, signora …«
    »Nur einen Blick. Ganz kurz …«, bettelte sie.
    »Ich darf es Ihnen nicht erlauben. Die Sonne blendet. Die Sehnerven würden sofort wieder einem großen Reiz unterliegen. Und jeder neue Reiz kann uns um Wochen zurückwerfen. Ist ein einziger Blick so viel wert?«
    »Ja –«, Luise deckte beide Hände über die brennenden, wieder tränenden Augen. »Wenn Sie die ewige Nacht erlebt hätten –«
    »Sie soll ja nie wiederkommen. Das muß Ihr einziger Gedanke sein, signora.«
    »Es wird auch das einzige sein, was mir die Kraft dazu geben kann.« Luise ließ die Hände sinken und legte den Kopf zurück auf eine Nackenstütze, die Dr. Saviano an dem alten Sessel hochschob. »Ich bin bereit.« Sie atmete tief auf und legte die Hände gefaltet in den Schoß. »Verzeihen Sie, Doktor … es war nur eine vorübergehende Schwäche … ein Aufbäumen … Der Mensch macht oft viel Sinnloses, wenn er sich gegen Unabänderliches wehren will –«
    Dr. Saviano bereitete an einem Nebentisch die Augenklappen vor. Es waren schwarze Haftschalen, mit einer besonders weichen Spezialwatte gepolstert, die die Augen völlig abdunkelten. Wenn man darüber eine schwarze

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