Eine Sünde zuviel
sprang.
»Ihre Monika –«, wiederholte er tonlos.
»Ja, wenn's erlaubt ist«, brüllte Salzer. »Was wollen Sie von ihr? Sind Sie Werbemanager? Bringen Sie einen Auftrag? Dann hinauf. Bis dahin, wo die Treppe aufhört. Da ist eine Tür, die Hühner erschrecken kann … aber keine Angst … dahinter wohnen die Musen! Ist es nicht ein wenig umständlich, einen fast Tauben zum Werbeleiter zu machen?«
Dahlmann antwortete nicht. Wütend stieg er die Treppe hinauf. Salzer sah ihm nach und schüttelte den Kopf. Eine harmlose Welt ist das, dachte er. Dabei ist es so einfach, Freude zu haben. So kinderleicht, glücklich zu sein. Man brauchte dazu nur ein Mädel wie Monika … dann blühten in der Wüste Orchideen und am Nordpol weiße Kamelien.
Ohne anzuklopfen, trat Dahlmann in das winzige Zimmer. Monika saß auf einer Art Bett und zeichnete. Sie drehte sich nicht um, sondern winkte über die Schulter, näher zu kommen.
»Sieh mal, was ich da entworfen habe, Jules«, sagte sie. Ihre Stimme klang kindlich glücklich. Dahlmann kannte diesen Ton … jetzt schnitt er ihm ins Herz. »Eine Titelseite zu deinem Buch … ein Schutzumschlag … Freust du dich?«
»Nein –«, sagte Dahlmann heiser.
Mit einem Schrei fuhr Monika herum. Der Zeichenblock fiel auf den rohen Dielenboden.
»Du –«
»Ja, ich!«
»Was willst du hier?«
»Ich frage zurück: Was tust du hier?«
»Das geht dich nichts an …«
»Ich glaube doch!« Dahlmann trat näher. Monika streckte die Arme aus, ihre Finger spreizten sich.
»Komm nicht näher …«, sagte sie leise. »Keinen Schritt mehr … Ich schreie … ich sage dir … ich schreie.«
»Etwa nach diesem jungen Affen da unten. Nach Jules? Kämmerlein klein – aber Glück ist mein … Das ist doch idiotisch! Du weißt, wohin du gehörst … und über das blonde Schaf da unten unterhalten wir uns noch …«
Er tat noch einen Schritt und ergriff ihre abwehrgespreizten Hände.
Da schrie sie, laut, gellend, um sich schlagend, eine kleine, blonde, wilde Furie.
»Jules! Jules! Hilfe! Hilfe!«
Julius Salzer kippte vor der Tür seinen Kübel mit Spülwasser einfach in den Hof und warf sich herum. Mit riesigen Sätzen schnellte er die Treppe empor und riß die Tür zu seiner Kammer auf.
Er kam dazu, als Dahlmann mit der einen Hand Monika festhielt und sie mit der anderen ins Gesicht schlug, immer und immer wieder.
Mit beiden Händen griff er zu.
Ehe Dahlmann wußte, warum der verzweifelte Widerstand Monikas plötzlich nachließ und was sich hinter seinem Rücken tat, flog er durch die Luft und landete ziemlich schmerzhaft in der Ecke der kleinen Kammer. Ein morscher Stuhl, der dort als Ablage diente, krachte unter ihm zusammen.
Einen Augenblick lag Dahlmann benommen auf dem Dielenboden; er wischte sich über das Gesicht und versuchte dann, sich aufzurichten. Eine starke Hand drückte ihn in die Stuhltrümmer zurück.
»Liegenbleiben!« sagte Julius Salzer. Seine Stimme hatte den sanft-spöttischen Klang verloren. »Wenn Sie Saukerl aufstehen, segeln Sie durchs Fenster, verstanden?« Dahlmann lehnte sich an die Wand. Er kam sich elend und wie ausgezogen vor. Monika stand am Fenster und weinte still, ihre Haare waren zerzaust, ihr Gesicht von den Schlägen gerötet.
»Sie … Sie verstehen die Situation nicht –«, sagte Dahlmann heiser.
»Ich sehe nur, daß Sie Monika ohrfeigen.« Salzer drehte sich zu ihr um. »Wie oft hat er dich geschlagen? Ehrlich! Ich bin dafür, immer das Zehnfache zurückzugeben. In solchen Dingen bin ich freigebig. Zweimal habe ich's gesehen … das machen schon zwanzig, mein verehrter Partner.«
»Bitte nicht –«, sagte Monika leise. »Er ist mein Schwager –«
»Wer ist das?«
Dahlmann erhob sich nun doch. Salzer hinderte ihn nicht mehr, er war zu verblüfft.
»Fräulein Horten ist die Schwester meiner Frau. Ich hatte etwas mit ihr zu besprechen …«
Jules Salzer fuhr sich mit beiden Händen durch die struppigen Haare. »Mir scheint das eine merkwürdige Art verwandtschaftlicher Konversation zu sein –«
»Bitte, laß uns allein …«, sagte Monika und wandte sich ab.
»Nein –«
»Ich werde dir später alles erklären.«
»Meinem Gefühl nach wäre es nützlicher, es jetzt gleich zu tun! Ich komme in mein Zimmer, weil meine Braut um Hilfe schreit, und sehe, wie ein mir fremder Mann sie ohrfeigt. Das sollte Grund genug sein, nachdenklich zu werden. Welches Recht hat dieser Herr –«
»Dahlmann –«
»– Dahlmann, dich so zu
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