Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
bedurfte, um trotzdem deutlich und hörbar zu werden. Salzer beugte sich vor.
    »Was haben Sie, mein Fräulein … Ist es so schrecklich, mir Spinner zuzuhören? Ich stehe sofort auf und gehe, wenn Sie ja sagen, und ich nehme es Ihnen nicht übel. Ich weiß daß ich besser Teller spüle als Sätze schreibe. Man sagt heute nicht mehr: ›Der Wind spielte in den Blättern wie auf den Saiten einer Harfe …‹, sondern ganz klar und verständlich: ›Der Wind furzte in den Zweigen …‹ Das ist Kunst, das ist plastisch gedacht, dafür bekommt man Preise und kann sich ein Haus im Tessin kaufen.« Er stand auf und reckte sich. »Gute Nacht, mein Fräulein. Vergessen Sie diese alberne Unterhaltung mit einem noch albernen Jüngchen. Ich setze mich jetzt unter meine Dachschräge, nehme ein Blatt Papier, einen Kugelschreiber und werde schreiben: ›Die Wolken gleiten schienenlos dahin / und auf der Erde kriecht ein gelber Wurm; / woran erkennt man einen höh'ren Sinn, / wenn beide wegweht Regen, Schnee und Sturm?‹ Glauben Sie, daß das einer liest?«
    »Nein.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil es am Leben vorbeigeht.« Monika sah zu dem großen Jungen auf. Vergessen will ich, dachte sie. Vergessen, was gestern war und vorgestern und ein Jahr lang. Kann es ein Vergessen geben? »Sie sind so groß«, sagte sie. »Sie sollten etwas näher zur Erde kommen. Mit dem Kopf in den Wolken sieht man das Leben nicht.«
    Sie winkte, Julius Salzer beugte sich nach vorn … da ergriff sie seinen Kopf, zog ihn zu sich und küßte ihn. Sie spürte sein Zögern, sein Verwundern, seine innere Abwehr … sie krallte die Hände in seinen Nacken, öffnete die Lippen und biß ihn. Es war kein Triumph in ihr, als sie spürte, wie sein Widerstand unter diesem Biß zusammenbrach; er umschlang sie und riß sie zu sich empor, und sein Kuß war hart und schmerzhaft, ungeübt und in der Forderung zu rauh.
    Vergessen, dachte sie nur. Laß mich vergessen … alles, alles … Loslösen von der Vergangenheit, Gemeinheit durch Gemeinheit verjagen, Lüge durch neue Lüge … o mein Gott, wohin sind wir gekommen …
    Für Julius Salzer stürzte der Himmel auf die Erde. Es war ihm, als erwache er in einer anderen Welt –
    Zwei Tage später kam Ernst Dahlmann nach Soltau.
    *
    Luise war es völlig klar, wohin ihr Mann verreiste. Seinem Vortrag, er müsse zu einer Apothekertagung nach Köln, wo man neue Arzneimittel besprach und Erfahrungen über bekannte Präparate austauschte, glaubte sie kein Wort. Aber sie verhinderte auch die Fahrt nicht oder heftete sich nicht an seine Fersen … sie wartete, bis Dahlmann mit seinem Wagen abgefahren war, bestellte eine Taxe und fuhr mit Fräulein Pleschke zum Flughafen.
    Drei Tage, das hatte er gesagt, würde er wegbleiben. Es war Zeit genug, um sich die Gewißheit zu holen, daß die Operation an ihren Augen einen endgültigen Erfolg gehabt hatte.
    Das Glück, das sie durch ihren plötzlichen Entschluß herausforderte, verließ sie nicht. Sie bekamen noch zwei Plätze nach Frankfurt und erfuhren telefonisch, daß in einer Mittagsmaschine noch Plätze für den Flug nach Mailand vorhanden waren.
    Am Nachmittag waren sie in Bologna und fuhren sofort hinaus zu der Clínica St. Anna, dem weißen Schloß hinter den düsteren Mauern.
    Professor Siri machte gerade eine seiner gefürchteten Visiten. Dr. Saviano, den sie ins Besuchszimmer rufen ließen, war erfreut und kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
    »Signora!« rief er mit südländischem Temperament. »Daß wir uns so bald wiedersehen! Wie geht es denn?!«
    Luise drehte den Kopf zu Fräulein Pleschke. »Wer ist denn da gekommen?«
    »Ein Arzt, glaube ich.« Fräulein Pleschke nickte Dr. Saviano zu. »Sie sind doch Arzt, nicht wahr? Ich glaube, ich kenne Sie –«
    Dr. Saviano starrte Luise an. Sie blinzelte ihm zu, der Arzt hob die Augenbrauen. Er beugte sich zu Luise und zog sie am Arm hoch. »Bitte kommen Sie mit ins Untersuchungszimmer. Ich führe Sie –«
    Fräulein Pleschke blieb zurück und blätterte in den bunten italienischen Illustrierten.
    »Spielen Sie noch immer die Blinde, signora?!« sagte Dr. Saviano, als sie allein waren. »Das ist doch wohl übertrieben! Ich weiß, ich weiß, es ist Ihre Privatsache, aber der Herr Professor ist wütend, daß Sie ihm untersagt haben, die Operation an Ihnen zu veröffentlichen.«
    »Es wird nicht mehr lange dauern.«
    »Und warum sind Sie jetzt gekommen?«
    »Ich muß wissen, ob ich weitersehen kann oder ob sich die

Weitere Kostenlose Bücher