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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf die Flasche und steckte sie in eine ausgebeulte, alte Aktentasche. Dabei fiel ihm ein, daß er vor Zeugen Alkohol getrunken hatte. Er lächelte verlegen und wedelte mit der Hand.
    »War nur 'ne halbe Flasche Bier, Meister. Das macht mir nichts aus. Ich fahre trotzdem wie aus dem Bilderbuch für Kraftfahrer.« Er tippte auf die Kiste und stand auf. »Nur noch diesen Brocken, dann sind wir soweit …«
    »Sie können schon zurück nach Soltau fahren«, sagte Dahlmann leichthin.
    »Und das Fräulein?«
    »Fräulein Horten kommt mit der Bahn nach.«
    »Aber sie wollte doch mit mir …«
    »Sie hat es sich anders überlegt. Fräulein Horten ist meine Schwägerin, die Schwester meiner Frau. Und meine Frau ist noch nicht von einem Ausflug zurückgekommen. Sie will so lange warten, bis meine Frau kommt.«
    »Das ist klar.« Der Fahrer grinste. »So schnell kommt man ja auch nicht von Soltau nach Hannover, was? Also denn, ich fahre.«
    »Gute Fahrt.«
    »Und von dem Bier … das bleibt unter uns, was?«
    »Klar.« Dahlmann lächelte. »Ehrensache. Und nun schwirren Sie ab!«
    Er wartete, bis der Fahrer die letzte Kiste hinausgetragen hatte. Dann blickte er sich in dem großen, leeren Raum um. Das Fluidum Monikas war verschwunden … es war ein nüchterner, heller, ungepflegter, häßlicher Dachraum, sonst nichts mehr. Der Zauber, den dieses Zimmer einmal auf ihn ausgeübt hatte, war zerstört. Nun sah er die schadhaften Dielenbretter, die häßlichen Flecken, wo einmal Bilder gehangen hatten, Löcher im Putz, Trostlosigkeit des Verfalls.
    Dort stand die Staffelei, dachte er. Dort der Hocker mit den Paletten. Dort war ein Tisch, eine Kommode, ein Schrank. Unter dem Fenster standen zwei französische Sesselchen … dort haben wir oft gesessen, hinausgestarrt in die Nacht, über die Dächer und Häuser, eine Stimmung wie auf Montmartre und doch viel, viel glücklicher, als man es beschreiben kann.
    Ernst Dahlmann wischte sich über die Augen. Vorbei! Für immer vorbei! Unten lag Monika Horten in einem tiefen Morphiumschlaf, die gleiche Moni, die einmal dort am Fenster gesessen hatte und ihm ins Ohr flüsterte: »Ich bin so unendlich glücklich. Kann es überhaupt wahr sein … du und ich …?«
    Es war wahr. Und es war ebenso wahr, daß etwas geschehen mußte, daß die Gefahr, die jetzt von Monika ausging, beseitigt werden mußte.
    Beseitigt. Dahlmann hob die Schultern, als fröre er. Er war kein Mörder. Er hatte nie den abscheulichen Mut aufgebracht, etwas Endgültiges mit seinen eigenen Händen zu tun. Oft hatte er Luise stumm angesehen und gedacht: Wie leicht wäre es, sie zu töten. Ein Unfall ist schnell konstruiert, und bei einer Blinden glaubt man an einen Unfall sofort. Aber dann war er immer wieder zurückgeschreckt, nicht aus Skrupel, nicht aus edlem Bedenken, sondern aus Feigheit, aus Angst, es selbst getan zu haben. Er erinnerte sich an den Augenblick am Rande des Baggerloches, als Luise kerzengerade und mit hocherhobenem Kopf das Bein hob und den Schritt zum Abgrund, zum Tode tat. Da hatte er sich auf sie gestürzt, mit einem wilden Satz, dessen Schnelligkeit er heute selbst nicht begriff, er hatte sie zurückgerissen, ins Leben zurückgeschleudert, und er hatte gespürt, wie ihn kalter Schweiß überzog und durch seinen Körper ein eisiges Zittern lief.
    Er war nicht der geborene Verbrecher, er war kein eiskalter Mörder … er war ein äußerst sensibler, weibisch-weicher Mann, mit dem Komplex beladen, immer gegängelt, immer bevormundet zu werden, und dessen große Sehnsucht es war, einmal selbständig zu sein, Geld zu haben, das er ausgeben konnte, ohne Abrechnungen darüber vorzulegen, tun zu können, was ihm beliebte, ohne fragen zu müssen: Darf ich das? Er war ein Mann, der sich nach Freiheit sehnte, wie ein Zuchthäusler, der von seinem Zellenfenster die Weite des Landes sieht.
    Alles, was er sagte, was er tat, wie er sich gab, wie er wirkte … klug, charmant, elegant, fröhlich, ein Gesellschaftslöwe … alles das war nur eine Maske, hinter der die Öde seiner Seele lag. Er war sich selbst der Einsamste, so sah er sich auch und so verzehrte er sich innerlich auch an der Sehnsucht, frei zu sein in dem Sinne, wie er es verstand. So wurde aus Ernst Dahlmann die furchtbar gespaltene Persönlichkeit, die er jetzt war: ein kalter, in der Gemeinheit phantasiereicher Lump … und ein einsamer, sich elend fühlender Mann, der sich befreien wollte und sich doch immer wieder fing in seiner Feigheit, die

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